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10. Februar 2025 – Das Duell Merz-Scholz

Gestern gab es 90 Minuten Duell zwischen Kanzler und Kanzlerkandidat: also im Format des altmodischen, sprachlosen Zweikampfs mit denkbarer Todesfolge. So dramatisch wurde es aber nicht, jedenfalls nicht an der Oberfläche. Die eigentliche gefährliche Situation gab es vor rund zwei Wochen im Bundestag, als Merz seine erschlichene Beschlussfassung zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ als Gesetzesvorlage präsentierte. Draussen tobten die Demonstranten, die ihm den Wortbruch („nie mit der AfD“) nicht verzeihen wollten und werden. Auch vorgestern demonstrierten zehntausende überall in der Republik: es war eine einzige Sympathiebekundung für Scholz. Dieser konnte sich stark fühlen wie selten in letzter Zeit;  die Blitzumfragen am späten Abend verrieten die Vorliebe der Frauen für ihn, angeführt von den „Omas gegen Rechts“ und gestützt von Angela Merkels scharfer Kritik an ihrem Parteigenossen.

Nüchterne Wahrnehmung müsste lauten: Weder SPD noch CDU/CSU möchten mit irgendwem koalieren; beide werden mithin vermutlich als Minderheit mit wechselnden Partnern regieren, unter den Argusaugen der extremen parlamentarischen Ränder, die zusammen so viele Sitze haben werden, wie einzeln jede sogenannte Volkspartei. Aber warten wir ab, was die kommenden Duelle mit und zwischen Weidel, Habeck und Lindner bezeugen.

2025-02-10T13:43:33+00:0002 '25|Gesprächsrundschau|

9. Februar 2025 – Handelskriegsgeschrei oder Handelskriegsgeschwätz

Oder Handelskriegsgemurmel? Was der neue Weltherrscher verkündet, regt alle Welt auf, wird abgelehnt und bitter kritisiert. Dann freut er sich offenbar, nimmt alles zurück oder fast alles oder wenigstens alles für eine Zeitlang. Donald Trump bringt einen neuen Akzent in die Dialogpraxis und also auch -forschung. Man merkt plötzlich, dass der seit 2500 Jahren gerühmte menschliche Dialog als krönende Sprach – und Sprechleistung so etwas wie ein prachtvoller Hof der denkenden Weltgemeinde ist oder war, der über wunderbare, aber eben auch erschreckende Schattenkabinette der Sprachlosigkeit verfügt. Dieses Tagebuch hat seit 2020 verzeichnet: Das Duell, mit Übergang in tödliche Körpersprache; den Streit, mit Übergang in die Prügelei oder ins Duell und/oder ewige Feindschaft, die medial organisierte Massendemonstration, mit Übergang in Schlägerei, Verhaftung, Verurteilung, je nach Rechtssystem womöglich Folter und Tötung. Ferner die institutionalisierte Demonstration von Streikenden, mit Übergängen in erfolgreiche Überredung der Machthabenden, aber auch mit Entgleisungen wie etwa im französischen Kampf der Gewalten mit den „Gelbwesten“.

Neuerdings gibt es zum traditionell regulierten Duell das furchtbare Schattenbild des Attentats: einzelne oder verbündete Menschen, die andere Menschen mit unterschiedlichen Waffen unversehens ermorden, gleich welcher Art und wie wehrlos auch immer diese Menschen sind. Die eigentlichen Gegner sind dann meist Religionen oder Ideologien in dramatischer körpersprachlicher Asymmetrie.

Die Forschung hat sich darauf unwissentlich vorbereitet, indem sie Begriffe wie „Interaktion“ oder „Kommunikation“ einführte und den menschlichen Dialog darunter subsumierte. Beides konnte nämlich auch technische Akteure beschreiben, wie etwa in der Radio- und Telefontechnik und schliesslich im Internet. In den 1960er Jahren erfanden Soziologen sogar den Terminus „Konversationsmaschine“ (Helmut Plessner), um den alltäglichen small talk von Nachbarn oder Freunden oder Kollegen zu beschreiben. Nur diese Maschine, meinte man damals, könne den Menschen ein Realitätsbewußtsein verschaffen, weil im Moment des dialogischen Austauschs auch das Hier und Jetzt der Existenz bekräftigt würde. In diese metaphorische Lücke sprang dann 2004  Mark Zuckerberg mit der Erfindung von Facebook. Damit verschob sich der soziale Austausch auf eine visuelle Ebene mit unvorstellbaren Konsequenzen. Mehr dazu folgt.

 

 

 

 

 

 

2025-02-10T13:10:48+00:0002 '25|Gesprächsrundschau|

26. Januar 2025 – Bischöfin Mariann Budde

„Im  Namen Gottes bitte ich Sie, sich der Menschen in diesem Land zu erbarmen, die jetzt Angst haben“: Welcher Mut, welcher Heldenmut hat  Mariann Budde letzten Dienstag zu ihrer Rede an Donald Trump geführt. Dicht vor ihr saß er mit seiner bitter blickenden Frau im obligaten Gottesdienst am ersten Tag nach der Amtsübergabe und musste sich ins Gesicht sagen lassen: dass die amtierende Bischöfin von Washington seit 2011 ihn um Gnade für die verhassten Einwanderer bat. Gnade für die „sans papiers“, die noch am selben Tag und seither immer öfter in ganz Amerika aufgestöbert, aus ihrem Leben gerissen und in Militärflieger gesetzt werden. Offenbar weiss man, welche Länder für sie zuständig wären. Wurden Abkommen getroffen? Wird Mexiko unter der neuen Präsidentin Sheinbaum endlich den Drogenhandel unterbinden? Gnade ist Teil der christlichen Botschaft, “Vergebung der Schuld“ ein Wort  aus dem Vaterunser. Welchem Christentum hat sich Donald Trump verschrieben?  Was aus Mariann Budde wird, sollte man aufmerksam verfolgen

2025-01-26T11:17:10+00:0001 '25|Gesprächsrundschau|

21.Januar 2025 – Der Weltlöwe brüllt

denn kein verkniffener Mafioso sprach gestern im Kapitol, es brüllte vielmehr der Weltlöwe – so sah ihn jedenfalls das SPIEGEL Cover mit der leoninen Maske, dem Löwen unter cäsarischem Lorbeer. Triebhafte und archaische Herrschergeschichte.  Die Titelstory handelte dann vom bitteren Feind Elon Musks, nämlich Steve Bannon: der als ältester Bannerträger der MAGA Ideologie posiert und fast alles begrüßt, was die demokratischen Strukturen zu Fall bringen kann. Über acht Millionen illegale Einwanderer stören die „Bioamerikaner“, dabei sind sie ihnen so dienlich wie  die importierten Sklaven von einst. Wer könnte deren Arbeit verrichten, deren Sozialabgaben zahlen, wenn sie verschwänden? Mario Guzmann berechnete am 12. Januar in der WELT, wie teuer jede Deportation die US Bürger zu stehen käme, wie viele Steuern die Illegalen erbringen für soziale Leistungen, die sie selber nie beanspruchen dürften, usw. Gestern abend beurteilte dann Adrian Daub im Deutschlandfunk die markerschütternde Programmrede aus Washington sogar als Fanal im Geschlechterkampf, als dröhnende Selbststilisierung von Männern. Der ganze Auftritt ähnelte aber dem Amtsantritt von Rodrigo Duterte auf den katholischen Philippinen. Dieser Präsident endete schliesslich als oberster Mörder ohne Lizenz.

2025-01-21T11:20:12+00:0001 '25|Gesprächsrundschau|

20. Januar 2025 – Devil’s Face?

Gleich wird er gekrönt, gleich wird er den Eid auf eine alte Bibel schwören wie schon 2017, und die halbe Welt wird zuschauen. Das amtliche Gesicht dazu erschien heute in der FAZ auf der dritten Seite.  Man sieht einen übermüdeten bad guy,  schlechtgelaunt, in schlecht beleuchteter Untersicht:  aber nein, diese Aufnahme gilt als präsidial, erscheint schon im neuen wikipedia Eintrag. Zum Fürchten!  Schütter und vergreist ist die berühmte Haartolle, drohend verschlagen die Miene, schmallippig, brauenlos, mit zweierlei Blick aus zweierlei Augen, die amerikanische Fahne im Knopfloch. „Zweierlei Blick“ wäre wohl untertrieben: der Mann spielt den „Rächer der Enterbten“ in Gestalt eines Hochfinanzjongleurs, eines Immobielienhais, mit teuflischer Kenntnis im Showbusiness als sogenannter „Apprentice“. Was heisst hier  „Mr. President“?

2025-01-22T12:15:41+00:0001 '25|Gesichtsrundschau|

13. Januar 2025 – Zum Schweigen bringen

Zensur von A bis Z, Redeverbote von der Antike bis heute,  von Sokrates bis Solidarnosc, von Galilei bis zu Trumps Twitter-Account- zu diesem Thema hat Barbara Sichtermann soeben eine „Zeitreise von Fall zu Fall“ als Sammelband vorgelegt. Viele bekannte Autoren wirkten mit, darunter ihr Sohn Simon Brückner, Autor eines bekannten Parteiporträts der AfD. Thierry Chervel,  Erfinder des perlentaucher, untersucht hier etwa die seltsame Verwandtschaft der islamischen Fatwa mit unserer westlichen Cancel Culture, ausgehend vom Fall  Salman Rushdie, Autor der „Satanischen Verse“. Nach jahrelangem Versteck  wurde er doch noch Opfer einer Messerattacke. Wir kennen und fürchten sie alle,  die zahllosen mörderischen Racheakte der islamistischen Welt, unfassbar brutal und/ oder sogar unfassbar abgefeimt wie der Angriff von 9/11 aus dem Jahr 2002.  Welche Öffentlichkeit wurde deutscherseits damals getroffen? Der Komponist  Karlheinz Stockhausen soll angesichts der lodernden Twin Towers vom „größten Kunstwerk“ gesprochen haben:  was wiederum eine unfassbare Verirrung der Urteilskraft westlichen Geistes war, genauer: des moralischen Geistes. Und um dessen Urteilskraft geht es in allen genannten Fällen.  Wer soll wann und warum eine militante performance  öffentlich wagen,  und wann soll wer und warum wegen einer solchen performance sterben oder verhaftet werden oder den Ruf/ Beruf verlieren – das zu entscheiden obliegt einer öffentlich ambitiösen Urteilskraft von Akteuren aller  Art. Raphael Gross, Direktor des Deutschen Historischen Museums, veröffentlicht seit 2019 eine Zeitschrift unter dem Titel „Historische Urteilskraft“. Die neueste Ausgabe 06  stammt von 2024. Volker Braun macht sich darin Gedanken über „die Strapazen der Urteilskraft“. Sein Text folgt auf Texte anderer SchriftstellerInnen an derselben Stelle in den vorausgehenden Heften über dasselbe Thema, angefangen mit  Daniel Kehlmann.  Literatur kennt und sucht eben –anders als Heilige Schriften –  keine diktatorischen Handlungszwänge. Suchen wir heute nach Heiligen Schriften?

 

 

 

2025-01-13T18:31:04+00:0001 '25|Gesprächsrundschau|

8.Januar 2025 – Haffners Duell 1939

Vorige Woche druckte die FAZ einen Artikel von Hannes Hintermeier, dem langjährigen Ressortleiter, über einen singulären Text aus der Hitlerzeit. Die  „Geschichte eines Deutschen – Erinnerungen 1914 – 1933“ von Sebastian Haffner stammte aus dessen Nachlass. Entstanden war er 1939, vollständig erscheinen konnte er erst 2002. Die ersten Sätze lauteten:

Die Geschichte, die hier erzählt werden soll, hat zum Gegenstand eine Art Duell. Es ist ein Duell zwischen zwei sehr ungleichen Gegnern: einem überaus mächtigen, starken und rücksichtslosen Staat, und einem kleinen, anonymen, unbekannten Privatmann.  Dies Duell spielt sich nicht auf dem Felde ab, das man gemeinhin als das Feld der Politik betrachtet; der Privatmann ist keineswegs ein Politiker, noch weniger ein Verschwörer, ein >Staatsfeind<. Er befindet sich die ganze Zeit über durchaus in der Defensive. Er will nichts weiter, als das bewahren, was er, schlecht und recht, als seine eigene Persönlichkeit, sein eigenes Leben und seine private Ehre betrachtet. Dies alles wird von dem Staat, in dem er lebt, und mit dem er es zu tun hat, ständig angegriffen, mit äußerst brutalen, wenn auch etwas plumpen Mitteln.“

Wer dächte bei diesen Sätzen nicht sofort an das tödliche Duell zwischen Russland und der Ukraine?  Haffner  dachte vermutlich an etwas anderes. Preussische Gymnasiasten wie er kannten den altgriechischen „Dialog der Melier“ des Thukydides.  Der Kampf der kleinen Insel Melos gegen das spartanische Heer erscheint hier  in Form eines geschliffenen Dialogs:  verfasst im 5. Jahrhundert vor Christus, als eigenes Kapitel aus dem Peloponnesischen Krieg.  Auch die kleine Insel möchte gegen den mächtigen Gegner aufstehen, auch sie möchte eigenes Leben, eigenes Recht und eigene Ehre bewahren – aber umsonst. Grausam ist ihre Hinrichtung.

Haffner beschließt seine Vorrede: „Mein privates Duell mit dem Dritten Reich ist kein vereinzelter Vorgang. Solche Duelle, in denen ein Privatmann sein privates Ich und seine private Ehre gegen einen übermächtigen feindlichen Staat zu verteidigen sucht, werden seit sechs Jahren in Deutschland zu Tausenden und Hunderttausenden ausgefochten – jedes in absoluter Isolierung und alle unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit.“

Seit gestern, seit dem 8. Januar 2025, sieht sich die Welt bedroht von einer neuen, nahezu freiwillig gewählten westlichen Weltkriegsmacht, die sich gegen eine östliche in Stellung  bringen will.  Die Dimensionen eines Peloponnesischen Krieges sind längst übertroffen. Präsident  Donald Trump hat seine territorialen Wünsche vorgestellt – Wochen vor seiner regulären Inauguration.  Diese Pressekonferenz war  eine Kippfigur zwischen Dialog und Duell.  Grönland will er kaufen, Panama Kanal und ganz Kanada  übernehmen. Notfalls mit Gewalt.  Dagegen zu sein ist für uns kleine europäische Bündniswelt heute gottlob kein Einzelwunsch.

2025-01-09T15:21:19+00:0001 '25|Gesprächsrundschau|

2. Januar 2025 – Bacons Gesichter am Kreuz

Francis Bacons Porträts, 55 an der Zahl, ausgestellt in London: das ist seit November letzten Jahres ein faziales Ereignis in der National Portrait Gallery. Wo auch sonst. Die Schau „Human Presence“  – bis 19. Januar 2025 –  erhielt u.a. eine knappe Besprechung im Guardian und eine sehr ausführliche von der Nachlassverwaltung. Hier wird Kuratorin Rosie Brodley gelobt für Auswahl und Anordnung, besonders im Namen der „literalness“, als sei buchstäbliches Erkennen der dargestellten Personen ihr Markenzeichen. Nein, sagt der Guardian, niemand ist hier erkennbar ausser Bacon selber. Alle Körperlichkeit fluktuiert im Gehege einer leidenden Geschöpflichkeit,  Mensch und Tier und RangObjekt ununterscheidbar. Bacons berühmtes erstes Tryptichon von 1944 hat ohnehin nichts mit christlicher Ikonographie zu tun. Es soll griechische Racheengel zeigen, Eumeniden mit aufgerissenem Maul. Der hilfeschreiende Mund blieb ein grelles Motiv in Bacons späterem Werk, besonders der Papstdarstellung.

Gesichtliche Kollektionen wie diese sind seit Rembrandt ein eigenes Format der Kunstgeschichte. Immer wieder erschufen Künstler und präsentierten Institute des Kunsthandels faziale Sammelwerke von Fremd- und Selbstporträts. Neben den Kunsthandel trat die Wissenschaft. Eine erste Mode entstand in der Frühzeit der Physiognomik beim schweizerischen Pfarrer Johann Kaspar Lavater;  im 19. Jahrhundert, inspiriert von Charles Darwin, entstanden kriminalistische Tafeln mit Geisteskranken oder Verbrechern. Mehr und mehr einigte man sich auf die „Literalness“ der Gesichtsaussage. Das Innere kehrt sich angeblich im Gesicht nach außen. Nichts einfacher, als Verbrecher oder Verrückte am Gesicht zu erkennen. Den dämonischen Höhepunkt dieser Obsession, noch verstärkt im Kino, bildeten rassistische Entgleisungen seit dem 20. Jahrhunderts, weltweit.

Und heute? Erst gab es facebook, als Medium der Selbstdarstellung, als „Teilung“ von Status. Dann schlug das Selfie alle fremdgesichtigen Formate aus dem Feld, durch die egomane Technologie der handys. Selfies wollen Status und Schönheit, und sei als fake. Aber daneben grassiert eben seit Jahrhunderten auch eine immer schärfere staatliche Face detection. Das Passbild eben.  „Literalness“  im Dienst der Kriminalistik. In diesem fazialen techno-Tryptichon wirken Bacons Gesichter wie Hilferufe der Natur selber. Weil sie unsere unberechenbare Mimik als Fleisch erkennen lassen.

 

2025-01-09T15:19:18+00:0001 '25|Gesichtsrundschau|

25. Dezember 2024 – Das Schweigen, von wem?

Heute , am ersten Weihnachtsfeiertag, sprach Papst Franziskus den obligatorischen Segen Urbis et Orbis in Rom. Tausende von Pilgern auf dem großen Platz  lauschten, wie er die Rede mit einer Ermahnung begann: in der Ukraine sollten doch bitte die Waffen schweigen. Ist es nicht seltsam: wir reden vom „Sprechen“ oder „Schweigen“ der Waffen, als wären sie Menschen. Dabei geht es garnicht nur um Waffen von und für Menschen, weil alle Waffen auch Häuser und  Infrastrukturen, Tiere und Landschaften mörderisch treffen können und sollen. Wo das Menschengespräch endet, beginnt oder kann beginnen das Sprechen der Waffen, das Gespräch in Waffensprache.  Als Organersatz der Körpersprache. Und wie beim Menschengespräch, kann es dabei Unterbrechungen geben, Pausen und Schweigen:  Schweigen auf Dauer als tückische Finte oder als Waffenstillstand oder gar Frieden.

Die Waffen nicht sprechen zu lassen gelang  Deutschland legendär gut im Zuge der Wiedervereinigung.  Aber durften sie endgültig schweigen?  Seit dem Zweiten Weltkrieg wartet die politische Welt auf einen Friedensschluss . Die Zwischenlösung im „Zwei-plus-Vier-Vertrag „ von 1990 liess bekanntlich Reparations- und sogar Grenzfragen offen. Und nun verlangt der neue Verteidigungsminister Pistorius von uns eine neue „Kriegstüchtigkeit“. Kommunen sollen sich um Bunker kümmern, U-Bahnhöfe werden auf ihre Brauchbarkeit untersucht, Sirenen zur Probe geläutet. Aber Sirenen heulen:  als Vorspiel der Waffensprache.  Wie sollte man da nicht dem Papst recht geben, wenn er heute das Schweigen der Waffen verlangte.

2024-12-25T19:12:28+00:0012 '24|Gesprächsrundschau|

18. Dezember 2024 – Lächeln im Schlachthaus

Nach und nach kommen jetzt Berichte aus dem Inneren der befreiten Nation. Zuoberst Berichte aus dem sogenannten „Schlachthaus“, dem zentralen Zuchthaus des Landes unter Assad, Stätte schlimmster Folterungen. Vor Jahrzehnten gab es schon einmal einen Fotobericht mit Tausenden von Opfern, kaum ansehbar. Jetzt müssen die Ärzte und Pathologen sich mit den humanen Überresten befassen, um Individuen für die überlebenden Familien und Freunde  zu identifizieren. Den makabersten Zugang gewinnt man offenbar durch Vergleiche von Schädeln und Fotografien der Lebenden. Cian Ward zitiert im New Statesman einen Arzt, der perlentaucher von heute bringt eine Übersetzung: „Wir nehmen ihren Zahnabdruck und überprüfen dann sekundäre Merkmale wie Tattoos oder Operationsnarben … Außerdem bitten wir die Familien um um ein Foto ihrer Angehörigen, vorzugsweise mit einem klaren Lächeln“. Denn die Opfer, schreibt Cian Ward weiter, „sehen aufgrund ihrer verwesenden Haut, die ihre Wangen strafft [aus], als würden sie grinsen“.

2024-12-18T15:23:10+00:0012 '24|Gesichtsrundschau|
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