ist vorhanden, man glaubt es kaum, aber das Radio hat sich öffentlich-rechtlich wie auch privat flächendeckend in eine dialogische Institution verwandelt. Was früher vielleicht der BLOG jedes Einzelnen war, ist jetzt zum Gespräch von zwei oder mehr Personen geworden: zu allen möglichen Themen, aber grundsätzlich informiert, neugierig, zuweilen humorvoll am Rand des small talks entlang. Alle werden offenbar von einer moralischen Anstrengung fakeloser Mitteilung getragen, oft spielen Experten eine entscheidende Rolle. Ist das ein Rückgrat demokratischer Einstellungen? Dazu passt, dass Trump soeben die Finanzierung von Radio Free Europe und Radio Liberty eingestellt hat. Man überlegt, ob Europa beides übernehmen könnte.
Aber nein, natürlich gibt es auch Podcasts mit undemokratischen Teilnehmern und unterirdisch bösartigen Botschaften. Der Podcaster Joe Rogan muss hier genannt werden. Elon Musk liess sich von ihm Bekenntnisse gegen Empathie als „zivilisatorischen Selbstmord“ entlocken. Gemeint war Mitgefühl etwa mit sozialhilfsbedürftigen Einwanderern. Heute berichtet die FAZ aber auch vom benachbarten Wortfeld, wie etwa dem verruchten „R-Wort“, namens „retarded“; zu Deutsch „zurückgeblieben“, „geistig behindert“. Es gehört zur intellektuellen Kriegstüchtigkeit von Darwinisten, zu Erben der britischen Eugenik und Euthanasie. Der Guardian hat mitgezählt: mindestens 16 mal nannte Musk letztes Jahr Menschen „retarded“, um sie herabzusetzen. In manchen Szenen gilt das Wort geradezu als schick. Trump drückt sich noch militanter aus, wenn er von „schlechten Genen“ ausländischer Mörder spricht. In Wahrheit geht es aber auch um den inländischen Kulturkampf gegen „wokeness“, im Sinne dessen, was Putinisten als „Dekadenz“ bezeichnen. Die alte Frontlinie zwischen „wertem“ und „unwertem“ Leben bricht wieder auf. Der deutsche Germanist Walter Müller-Seidel hat vor Jahren eine biographische Studie über den Erfinder dieser Rassenkunde verfasst: über den Schriftsteller und Psychiater Alfred Erich Hoche, CoAutor eines Buches zur „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Es erschien 1920 und fußte auf Weltkriegsstatistiken zur Bedürftigkeit. Wie konnte eine Volkswirtschaft mit den zahllosen KriegsVeteranen fertig werden? Hoches berühmtester Doktorand war etwas später kein anderer als Alfred Döblin.