Gesprächsrundschau

26. April 2025 – Urbi et Orbi

Nur das abendländische Christentum hat so einen Segen für alle Welt, so einen Dialog des einen Gottes mit Stadt und Land, für 1,4 Milliarden Menschen unterschiedlichster Existenz. Annette Schavan, die ehemalige Vatikan Botschafterin unter Angela Merkel, sagte: das Weltchristentum ist die einzige Instanz gegen nationalistische Exaltationen. Alle 1,4 Milliarden glauben an denselben dreieinigen Gott, so unbegreiflich dieser auch ist, daher oft auch noch lieber an seine Mutter Maria, aber jedenfalls an den Sohn, seine Leiden, sein gewissliches Sterben und etwas ungewisses Auferstehen. Selbst eine so aufgeklärte Schriftstellerin wie Sibylle Lewitscharoff war sicher, dass es statt Nachtod eine irgendwie überraschende Reinkarnation geben werde.

Das alles dachte man noch vor sechs Tagen, als der argentinische Papst Franziskus mit letzter Kraft den Segen in alle Welt sprach und über den vieltausend Anhängern auf der Piazza aussendete. Einen Tag später war er selber tot, und die gigantische Ritualmaschine des Weltchristentums setzte sich in Bewegung. Der Papst wurde aufgebahrt, die Gläubigen konnten sekundenschnelle Blicke auf das Totengesicht werfen, und heute, sechs Tage nach dem Segen, und nach der letzten Messe, wurde der Leichnam im einfachen Holzsarg in die Lieblingskirche  Santa Maria Maggiore  geleitet und dort beigesetzt.

Währenddessen fanden Gespräche zwischen Politikern statt, eine Begegnung zwischen Trump und Selenskyj, ein Selfie von J.D. Vance mit Sohn in der Sixtinischen Kapelle, und die vorgeschriebenen Massnahmen zum Konklave, dem ultimativen Abstimmungsritual zur Bestimmung des Nachfolgers.  Der englische Hof hätte nichts besser machen können.

2025-04-26T14:36:05+00:0004 '25|Gesprächsrundschau|

17. April 2025 – Die Abrechnung

Gestern lief im 3sat TV zur besten Sendezeit der Film über den Cum/Ex Skandal, unter dem Titel „Systemfehler“. Mit den Begriffen Börsenhandel und Steuermoral erscheint noch eine weitere Hauptschlagader unserer dialogischen Verfassung aus Rede und Antwort, Befehl und Gehorsam, Anweisung und Durchführung. Sie funktioniert , weil und solange es eine Rechts-Sprechung gibt. Verhandelt wird bei Cum/Ex Handel also ein Ding zwischen diplomatischem Verkehr, Besitzanspruch  und Rechtswesen, die alle drei so widerrechtlich, unmoralisch und bösartig verwendbar sind wie jede technische Errungenschaft.

Der Titel erscheint bei Google übrigens markant als Titel eines alten Musicals von 2013 – „Systemfehler – Wenn Inge tanzt“: es war eine Posse über die Ökologen im Lande. Nur wer genau hinsieht findet die aktuelle, womöglich tragische Version von gestern: die Selbstbehauptung des Rechtsstaates. Zwei Frauen haben diese Lawine ins Rollen gebracht; 2024 hat der BGH die Urteile bestätigt, wonach es überhaupt keine „Gesetzeslücke“ gab, welche den Raub am Steuerzahler ermöglicht hätte. 17 Anklagen wurden inzwischen erhoben, jede betrifft Millionen, wenn nicht Milliarden Euro Räuberschulden. Gerade wird für die kommenden Prozesse ein Erweiterungsbau der Staatsanwaltschaft in Köln gebaut. Dieser Akt erinnert an das Mark der deutschen Geschichte.

2025-04-23T13:23:09+00:0004 '25|Gesprächsrundschau|

15. April 2025 – Gebet und Blatt,

diese beiden Hauptschlagadern unseres dialogischen Organismus stehen vielleicht in den letzten Zügen. Wiederholt sagte Trump im berüchtigten Oval Office Streit mit Selensky: „Sie haben keine guten Karten, sie haben kein Blatt in der Hand, was wollen Sie überhaupt?“ Diese Rede vom ‚guten Blatt‘ haben die Journalisten aufgenommen. Es bedeutet blanken Zynismus – es suggeriert: diese ganzen Kriegsverhandlungen sind doch nicht mehr als ein Kartenspiel. Das mag so sein – für die Oligarchen und Milliardäre in schwer bewachten Palästen oder auch in den Wettbüros weltweit; ist es aber nicht auf den nationalen Kriegsschauplätzen, wo verwundet und gestorben wird, egal, ob zivil oder armiert. Was wurde aus dem krassen Gegensatz zum Kartenspiel, was wurde aus dem Gebet: dieser Säule des Gesprächs in allen Religionen? Eine der ältesten und tiefsinnigsten Kulturtechniken, die alle Schattierungen von Unterwerfung , Hilflosigkeit, Bitten und Fragen und Vorwürfen umfasst, aber auch Danksagung, Gedenken und Versprechen? Linguisten könnten überlegen, ob ein Gebet ein „Sprechakt“ sei, Dichter und Dichterinnen haben es in Literatur verwandelt,  angesiedelt nahe beim Selbstgespräch, wie in der Litanei vom Rosenkranz. Gebete haben ihre eigene Gestik: der Mensch faltet die Hände, der Mensch kniet, der Mensch legt sich hin vor seinen Gott – ohne den es eben diese Kulturtechnik nicht gäbe. Wie desaströs agieren seit Jahren die  orthodoxen Priester der Ostkirche im Ukrainekrieg. Inzwischen wurde sie dort verboten – aber was wird aus den Gläubigen? Welche Feiertage werden von wem begangen?

2025-04-15T17:15:59+00:0004 '25|Gesprächsrundschau|

10. April 2025 – Zollgespräche

Dass sich ein Handelskrieg , wie der eben von Trump entfachte, zwischen das diplomatische und das Gespräch von Waffen schieben könnte, wusste man zwar schon immer, aber als WeltAnwendung, im sozusagen globalen 360 Grad Gestus, ist es neu. Trump wirkt wie ein Hammerwerfer kurz vor dem entscheidenden Wurf: er dreht sich im Kreis, zentrifugal beschleunigt, um endlich ins chinesische Herz zu treffen. Dass dabei zahlreiche Börsianer und Oligarchen viel Geld verdienen, der Rest der Völker aber in Angststarre oder Wut verfällt, gehört wohl zu den Nebenwirkungen. Gibt es Abschnitte der US Verfassung, die so ein Gebaren erlauben oder verbieten? War jemals vorgesehen, dass ein Immobilienmakler präsidentiell das eigene Land wirklich ökonomisch als Eigentum behandelt?

2025-04-23T13:22:40+00:0004 '25|Gesprächsrundschau|

22. März 2025 – Ein Podcast Himmel

ist vorhanden, man glaubt es kaum, aber das Radio hat sich öffentlich-rechtlich wie auch privat flächendeckend in eine dialogische Institution verwandelt. Was früher vielleicht der BLOG jedes Einzelnen war, ist jetzt zum Gespräch von zwei oder mehr Personen geworden: zu allen möglichen Themen, aber grundsätzlich informiert, neugierig, zuweilen humorvoll am Rand des small talks entlang. Alle werden offenbar von einer moralischen Anstrengung fakeloser Mitteilung getragen, oft spielen Experten eine entscheidende Rolle. Ist das ein Rückgrat demokratischer Einstellungen? Dazu passt, dass Trump soeben die Finanzierung von Radio Free Europe und Radio Liberty eingestellt hat. Man überlegt, ob Europa beides übernehmen könnte.

Aber nein, natürlich gibt es auch Podcasts mit undemokratischen Teilnehmern und unterirdisch bösartigen Botschaften. Der Podcaster Joe Rogan muss hier genannt werden. Elon Musk liess sich von ihm Bekenntnisse gegen Empathie als  „zivilisatorischen Selbstmord“ entlocken. Gemeint war Mitgefühl etwa mit sozialhilfsbedürftigen Einwanderern. Heute berichtet die FAZ aber auch vom benachbarten Wortfeld, wie etwa dem verruchten „R-Wort“, namens „retarded“; zu Deutsch „zurückgeblieben“, „geistig behindert“. Es gehört zur intellektuellen Kriegstüchtigkeit von Darwinisten, zu Erben der britischen Eugenik und Euthanasie. Der Guardian hat mitgezählt: mindestens 16 mal nannte Musk letztes Jahr Menschen „retarded“, um sie herabzusetzen. In manchen Szenen gilt das Wort geradezu als schick. Trump drückt sich noch militanter aus, wenn er von „schlechten Genen“ ausländischer Mörder spricht. In Wahrheit geht es aber auch um den inländischen Kulturkampf gegen „wokeness“, im Sinne dessen, was Putinisten als „Dekadenz“ bezeichnen. Die alte Frontlinie zwischen „wertem“ und „unwertem“ Leben bricht wieder auf. Der deutsche Germanist Walter Müller-Seidel hat vor Jahren eine biographische Studie über den Erfinder dieser Rassenkunde verfasst: über den Schriftsteller und Psychiater Alfred Erich Hoche, CoAutor eines Buches zur „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Es erschien 1920 und fußte auf  Weltkriegsstatistiken zur Bedürftigkeit. Wie konnte eine Volkswirtschaft mit den zahllosen KriegsVeteranen fertig werden? Hoches berühmtester Doktorand war etwas später kein anderer als Alfred Döblin.

2025-03-22T17:46:53+00:0003 '25|Gesprächsrundschau|

15. März 2025 – „Einen „verstörenden Sprechakt“

nannte gestern Joachim Müller-Jung, Leiter der FAZ Naturwissenschaften, die Bekanntmachung vom Ende aller Umweltschutzmaßnahmen durch Lee Zeldin in 31 Schritten. Zeldin ist neuerdings Leiter der amerikanischen Behörde EPA (Environmental Protection Agency). „Die größte Deregulierungsmaßnahme der amerikanischen Geschichte“ nannte er seinen „Sprechakt“, und tatsächlich bemisst sich diese sprachliche Verlautbarung ja nach dem mit ihr erzielten Effekt und den dazugehörigen Sanktionen. Sprechakte gelten in der Linguistik weder als Beschreibung noch als Beschwörung noch als Definition sondern als eigenständige Handlung etwa wie Todesurteile, Liebeserklärungen, Heirats-oder Wahlversprechen. Um die Konsequenzen der 31 Einzelmaßnahmen zu beurteilen, zieht Müller-Jung die Kosten bzw. die Ersparnisse heran, die sich aus den Anwendungen ergeben. Also die Hochrechnungen von fortgesetzter Vergiftung, die fortwährendes und unnötiges Leiden und Sterben ergeben würde und damit eben auch das Bruttosozialprodukt dezimieren. Anders kann man offenbar in den USA nicht mehr argumentieren. Müller-Jung spricht von der „boshaften Rückwärtsbewegung des intellektuellen Kapitals“, einem „beispiellosen Akt ideologischer Autoaggression“. „Geschichts- und gewissenlos.“ Die Abschaffung aller Hilfsmittel für Bedürftige sind also Todesurteile – verkleidet ins Format eines „Bürgerkriegs von oben“ – weil reiche Menschen Mittel und Wege zum Selbstschutz haben. Und sei es auf dem Mars. Oder handelt es sich eben doch um den Suizid einer Sekte, die den Namen eines Staates trägt?

2025-03-15T17:18:12+00:0003 '25|Gesprächsrundschau|

3. März 2025 – Der GAU des politischen Dialogs

Niemand im westlichen Biotop politischen Denkens, nicht einmal Carl Schmitt, hätte sich diesen Dialog vom 28. Februar 2025 im Oval Office  unter der Regie Donald Trumps vorstellen können, niemand ausser den Erfindern dieses Drehbuchs. Erfinder, die ihrerseits wahrscheinlich viel Schmitt gelesen haben, um dann Sprechtexte aus dem Geist der Freund-Feind-Doktrin für zwei gewiefte Schauspieler zu schreiben.  Auch ein Chor  (an Medienvertretern) gehörte dazu, wie in der antiken Tragödie.

Die interessierte Öffentlichkeit weiss, dass Wolodimir Selensky jahrelang in einer ukrainischen Fernsehserie als Geschichtslehrer einer korrupten Nation auftrat und dort unfreiwillig zum Präsidenten gewählt wird. „Diener des Volkes“ hiess dann auch die Partei, für die er später in Wirklichkeit kandidierte und gewann. Und für die er seither seine Lebensrolle als aufopfernder Kriegsheld spielt. Mit dem karfreitagsartigen Höhepunkt: als Kriegsherr eines kleinen Landes, das ohne Beistand größerer Verbünde nicht überleben könnte. Einen solchen Verbündeten glaubte er im Amerika des Donald Trump zu finden. Ein Irrtum!  Denn der Feind des Kleinen wurde zum Freund des Verbündeten. Unter den Augen einer erstarrenden Weltöffentlichkeit und unter Vorspiegelung eines gewinnversprechenden „Deals“, wird von Selensky Unterwerfung verlangt.  „Sie können wiederkommen, wenn Sie zum Frieden bereit sind.“  Der Verbündete war plötzlich Freund des Feindes. Wer möchte nicht an den Hitler Stalin Pakt denken?

Dramaturgie des Zynismus, Shakespeare in Reinkultur. Denn auch Mr. Trump hat jahrelang in einer TV Serie posiert: als„Apprentice“ seit 2004 in 15 Folgen, in denen er hauptsächlich Kandidaten auszuwählen rsp. zu feuern hat. Ab 2015  wechselte Trump – wie Selensky  – vom Medienformat ins politische Geschäft, von der Bühne in die Arena.

Wie mochten die beiden Männer sich fühlen, als sie der Welt das Drama einer Unterwerfung vorführten? Der verborgene screenwriter hatte einen Trailer in Kiew vorgeschaltet: Der Kriegsherr sollte einen ungünstigen Vertrag zum Verkauf seiner „Seltenen Erden“ unterschreiben, und erwartbar lehnte er das ab. Man lud ihn ins Quartier des Verbündeten,  angeblich zur Verbesserung des Deals. Aber dem Sprechakt der Zustimmung ging Demütigung voraus. “ Besitzen Sie auch einen Anzug?“,  können Sie sich nicht mal bedanken?“ hin zur rundweg abgeschlagenen Bitte um Beistand. Denn der Feind des Kleinen war inzwischen Großer Freund des  Verbündeten.

 

2025-03-03T17:15:26+00:0003 '25|Gesprächsrundschau|

1. März 2025 – Kunst des Zuhörens?

Das ist der Titel des neuen Buches vom Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Zusammen mit dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg , Winfried Kretschmann, wird er am 4. April in Heidelberg „den kommunikativen Klimawandel“ diskutieren, berichtet uns heute der Newsletter der Villa Aurora aus Los Angeles. Lauter Namen aus einer seit Wochen urplötzlich völlig verstörten Weltszene. Erst zogen desaströse Waldbrände durch die Stadt des Films und reicher Communities wie Pacific Palisades, dann fuhren die apokalyptischen Reiter, T und M , wüst über das Land. Tausende von Menschen werden soeben überall entlassen, ohne Begründung ausser der offenbar desaströsen ökonomischen Bilanz der Weltmacht USA. 34 Trillionen Dollar Schulden haben die amtlichen Buchhalter erkannt, das ist die weltweit höchste Verschuldung eines Staates. Wie lange kann man Gläubiger beruhigen?  „Zuhören“ ist gewiss keine Tugend in der Welt des Kapitals. „Zusehen“ schon eher.

Der Auftritt des gepeinigten Präsidenten Selensky gestern im Oval Office hat uns alle entsetzt. Niemand weiss, wie es weitergeht. Wieder muss man an Thukydides‘ „Melierdialog“ denken (416 v.Ch.), in diesem Tagebuch schon mehrfach erörtert. Die kleine Insel Melos will mit der Großmacht Athen über ihr Überleben verhandeln, mit Blick auf die verbündete Seemacht Sparta, die aber nicht helfen will. Es besteht also Ungleichheit.

„Die Melier müssen sich von den Athenern jedoch sagen lassen, dass Gleichheit der Kräfte die notwendige Voraussetzung dafür ist, dass unter Menschen das Recht zur Geltung komme. Wo keine Gleichheit der Kräfte gegeben ist, müssen sich die Schwachen dem Willen des Starken fügen, da ihnen ohnehin keine andere Möglichkeit bleibe.“

 

2025-03-01T07:53:47+00:0003 '25|Gesprächsrundschau|

22. Februar 2025 – Schreiende Widersprüche

und nicht etwa ruhige Dialoge in nachdenklichen Parlamenten beherrschen unsere kommunikative Bühne : vielmehr das Gegenteil. Wütende Stimmen, Trillerpfeifen und Plakate im Streik, tobende und teils blutig niedergeschlagene Aufstände, aggressive WahlDuelle zu zweit, zu dritt, zu viert : und das alles vor unseren öffentlich  dröhnenden Massenszenen in Sport , Unterhaltung und Militär.  Und nun also zelebriert Präsident Trump, Chef der bisher mächtigsten Weltnation,  seinen „schreienden Widerspruch“ zur amerikanischen Politik im eigenen Land,  in Europa wie auch im Nahen Osten.  Der  vornehme Fachausdruck dafür heisst „Disruption“. Im Film würde man vom „Schnitt“ sprechen: ein an sich lautloser, aber womöglich dramatischer Umbruch einer Handlung.

Warum applaudieren so viele Menschen so einem Vorgang? Der Historiker Herfried Münkler hat eine plausible Erklärung. Die Idee eines friedlichen, gleichberechtigten, dauerhaften Miteinanders – also Kants „Ewiger Frieden“ – gehört womöglich nicht zur modernen sozialen Ausstattung, nicht zur demokratischen Ergebung in Macht und Geltung von ungefälschten Abstimmungen. Denn wo soll sie überhaupt gelernt werden? Wie können Gesellschaften mit vollkommen hierarchischen Sozialverbänden in Religion, Sport, Medizin und Wissenschaft überhaupt eine demokratische Einstellung pflegen – zu schweigen von der patriarchalischen Verfasstheit der Weltmännergesellschaft?
Morgen, Sonntag den 23. Februar 2025, bitten die Deutschen sich selbst zu Auswahl hoffentlich regierungsfähiger Parteien.  Mächtige Diktatoren aus Russland, China, Türkei, Indien und nun also auch USA warten am Horizont auf männliche Disruption.

2025-02-22T18:37:17+00:0002 '25|Gesprächsrundschau|

18. Februar 2025 – Das Machtwort 2.0, nein: N.Null

Die fabelhafte Übersicht der New York Times über sämtliche Aktivitäten der neuen administration in Washington kennt seit letzten Samstag den ultimativen Satz: “ He who saves his Country does not violate any Law“. Die FAZ hat das heute kommentiert. Victor Loxen unternahm eine rasante Recherche zurück zu den Quellen dieses Größenwahns: natürlich zu Carl Schmitt, zu Oswald Spengler und schliesslich zu Cäsar und zum Cäsarismus . Der schwärzeste Vorfahre dieser Genealogie ist aber mit dem Namen Anders Breivik bezeichnet. Unter dem Kapitel „Because our survival depends on it“ kann man es lesen:“ He who saves his Country violates no law.“ Das Manifest dieses Massenmörders nennt Loxen, ein Student der Politikwissenschaft,  zu Recht einen „zivilisatorischen Abgrund“. Man fragt sich: was kann die demokratische Partei, was kann überhaupt die zivilisierte Welt dem entgegensetzen? Ist es mit der Auflistung aller Schandtaten – ähnlich wie bei der Ukraine Berichterstattung – getan? Natürlich wäre es hilfreich mit Blick auf spätere Prozesse – aber welche Instanz bliebe bei so einem brutalen Angriff auf das schwache Recht überhaupt erhalten?

Rechtsförmig ist unser westliches Dasein durch teils hoch komplizierte Schriftsätze. Cäsaren wie Trump aber kommen vom Kino. Sie wollen keine auf Dauer gestellten, für kommende Generationen bewohnbare Häuser des Rechts, sie suchen blockbuster Marktplätze.  Aus unserem Westen wird schlicht wieder der amerikanische Western:  herrischer Cowboy tritt mit dem Stiefel die Tür auf, hebt zwei Revolver und erschiesst wen auch immer. Kann man ihn im Roman „Die Verdorbenen“ von Michael Köhlmeier wieder erkennen? „Einen Mann töten“, antwortet ein Sohn seinem Romanvater auf dessen Frage, wonach ihm der Sinn stünde.

2025-02-18T14:59:30+00:0002 '25|Gesprächsrundschau|
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