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Oktober 2020 – vierte Woche, fortgesetzt

Die Frage nach amerikanischer Gesprächskultur ist also beantwortet. Es geht nicht um Dialoge, sondern um mehr oder minder geordnete Duelle. Der zweite und letzte Schlagabtausch zwischen Trump und seinem Gegner Biden war so ein Dialog hart am Rande des Duells: institutionell schwerst gesichert, personell wie technisch. Zur Erinnerung: Ein Duell fand früher statt, wenn ein Dialog nicht mehr möglich schien, wenn Sprache erstarb. Das Duell zielte auf physische Vernichtung des Gegners. Es war eingebunden in eine Institution mit festen Regeln – auch wenn es selber strafbar war.

2024-10-23T14:46:45+00:0010 '20|Gesprächsrundschau|

Oktober 2020 – vierte Woche

Amartya Sen, der indische Wirtschaftsphilosoph, erhielt am 18. Oktober 2020 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. In einer etwas gespenstischen Szene in der Frankfurter Paulskirche hielt Bundespräsident Steinmeier die laudatio in absentia, und derPreisträger dankte ebenfalls in absentia. Sein Hauptthema war die Freiheit der Rede. Er kritisierte die Unfähigkeit der autokratischen Regierungen, einen Dialog mit der kritischen Opposition zu führen, die momentan weltweit in riesigen Menschenmengen auftritt und immer wieder brutal zurückgetrieben und unterdrückt wird. Amartya Sen erinnerte an Mahatma Gandhi, und dessen Konzept des gewaltfreien Widerstands, das tatsächlich Erfolg hatte, aber oft eben auch nicht. Gandhi saß jahrelang im Gefängnis.

Auch Timothy Garton Ash hat 2016 in einer Plattform namens Free Speech: „TenPrinciples for a Connected World“ die politische Interaktion zwischen Regierung und Opponenten als lebenswichtigen Streit bezeichnet, wie auch seine Kollegin Chantal Mouffe, eine Marxistin mit Sympathie für Carl Schmitt. Vor dem Kernstück des „hate speech“ versagten sie beide. Gerade eben wurde in Frankreich ein Geschichtslehrer enthauptet, von wütenden Islamisten, weil er die Mohammed Karikaturen aus Charlie Hebdo gezeigt hatte, als Beispiel für Redefreiheit. Es war eine tragisch entgleiste Interaktion. Dialog kann man sie nicht nennen. Aber wie sonst?

Die deutsche Philosophin Petra Gehring erörterte vor kurzem in einem Buch über Sprechakte das, was sie „die Körperkraft der Sprache“ nannte. Sie erwähnte Gesang, Gebrüll, und vor allem das Skandieren in der Menge. Sie nannte es „ein Stück Entfesselung der dialogischen Normalität sowie auch des seine Worte allein verantwortenden Individuums.“ Dieser Sprechakt „zeigt: nein: stellt aus und feiert, was ihm Macht verleiht.“ Skandierende Massen wollen keinen Dialog – oft geht es nur um Hass und Wut. Zur Wortwerdung bräuchten sie individuelle Sprecher:Innen, die ihre Einstimmigkeit erwiderungsfähig machen. Und diese Sprecher:Innen brauchen wiederum individuelle Hörer’Innen, die diese Einstimmigkeit erwidern könnten. Beide Individuen müssen ferner für die von ihnen artikulierten Menschengruppen anerkannt repräsentativ sein. Für diese unerhört komplexe Sachlage gibt es – noch – keinen Ausdruck. Es sei denn, man spricht von Demokratie – aber auch dieses Wort ist viel zu ungenau. Wie sollte man diese Interaktion also nennen?

2024-10-23T14:49:11+00:0010 '20|Gesprächsrundschau|

Oktober 2020 – dritte Woche

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab es unter dem irreführenden Stichwort „Körper“ eine erhellende Diskussion über das Diskutieren. Ute Frevert, Historikerin der Gefühle, betonte, dass man in der Demokratie nicht wie Carl Schmitt von Feind zu Feind spreche sondern von Gegner zu Gegner. Ein Grundvertrauen hindere den Umschlag in schiere Körperlichkeit – sprich Prügel oder Totschlag. Dieses Grundvertrauen verschwindet soeben in USA. Hat es dort je wirklich geherrscht? Kathrin Schmidt, die Autorin, verbat sich den Modus der „Gesinnungsbeweiskultur“ in den Debatten – dem widersprach die Kulturkundlerin Eva Horn aber mit Rekurs auf die Usancen der Wissenschaft: hier müsse man sich einig werden können, nämlich über das, was erwiesenermassen der Fall sei. Niemand mochte den Sprung zu dem Fazit leisten: dass wir in eine Wissenschaftsreligion treiben, die – jedenfalls für die meisten – zur Glaubenssache werden muss, jedoch nur für wenige Priester diskussionseffizient bleiben kann, nämlich dann, wenn sie die Beweisverfahren beherrschen und die Öffentlichkeitstechnologie dazu.

2024-10-23T14:50:20+00:0010 '20|Gesprächsrundschau|

Oktober 2020 – Neue Emojis?

Neuigkeiten auf dem Gesichtsfeld. Erstens: Apple kündigt ein remake der Emojis an! Offenbar findet man die jetzt vorhandenen Gesichtsausdrücke unter Maskendiktat unzureichend – kein Lächeln unter einer Maske! – ausserdem hat die Konkurrenz Samsung schon schneller reagiert. Lassen wir uns überraschen.

Zweitens zeigt der US Wahlkampf eine tragische Zwickmühle für weibliche Aktricen. Wie gewohnt, werden mediale Auftritte mit Gebärdendolmetscherinnen inszeniert – doch was passiert, wenn die Politikerinnen hoch emotionale Sätze äussern, aber zuvor mit Botox ihre Mimik stillgestellt haben? Dann erscheint diese Mimik nur nich bei der Dolmetscherin?

2024-10-22T23:43:00+00:0010 '20|Gesichtsrundschau|

Oktober 2020 – zweite Woche

Anhaltende Beklemmung allerseits: Trump wurde nach seinem Auftritt von Covid 19 befallen, liess sich ins Militärspital einweisen, dort aber nicht halten, kehrte vielmehr zurück ins Weisse Haus. Mit demonstrativer Geste riss er sich dort vor den Kameras die Maske vom Gesicht: wessen Gesicht war es nun? Immerhin hat sein Vize Pence inzwischen ein manierlicheres , aber unwichtiges TV-Duell mit Kamara Harris absolviert; unwichtig, weil die Parteien im Weissen Haus derweil machtkampfbedingt die dringend benötigten Coronahilfen gestrichen haben. Offenbar werden nun bis zur Wahl tausende Menschen sterben, weil medizinisch unversorgt. Es sind Menschenopfer mexikanischen Ausmasses.

2024-10-23T14:49:49+00:0010 '20|Gesprächsrundschau|

Oktober 2020 – erste Woche

Das Drama nimmt seinen Lauf. Das erste Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump zur  kommenden Wahl verlief am 29. September genauso entsetzlich, wie vorhersehbar. Niemand wird sagen können, er habe das Ende der menschengemachten sprachlichen Kommunikation an höchster politischer Stelle nicht erlebt, alle Zeitgenossen sind Zeuge, so unfreiwillig auch immer. Wer dieses politische Format jetzt funktionstüchtig machen muss, ist nicht zu beneiden. Ausgerechnet ein Genosse aus Fox News soll jetzt einen wütenden Clown bändigen – weil die Grand Old Party nicht von ihm lassen will.

2024-10-23T14:50:50+00:0010 '20|Gesprächsrundschau|

September 2020

Laut bis dröhnend sind die Importe aus USA fast seit jeher. Unsere Eltern oder Großeltern erlebten entsetzt ein Theaterstück wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1962) von Edward Albee, 1966 als Film mit Elizabeth Taylor und Richard Burton – wie konnten sich zivilisierte Menschen derart in Hass reden. Die Kehrseite, das verrückte einander-anschweigen, hatte diese Generation schon vorher bei Samuel Beckett erlebt: war Sprache überhaupt noch zu retten?

Und erst recht heute: Nicht nur die dauernde Ferngesprächslage der Handykultur, sondern auch die Einbettung aller Äußerungen in Fadenkreuze von wütend emotionaler Zu- oder Abneigung, Teilung oder Löschung, Verrat oder Geheimhaltung, Anonymität oder Authentizität entscheiden über das gegenwärtige Mitteilungsverhalten von Mensch zu Mensch. Hass hat sich breit gemacht, Unflätigkeit kursiert massenhaft, alles wird denkbar wegen massenhafter Verkleidung und abgründiger Umsturzpläne. Was tritt hier zutage?

Erinnern wir uns: Schon vor 1900 spülte die sogenannte „Neue Musik“ unaufhaltsam einen riesigen Kontinent an Dissonanzen und Explosionen ins öffentliche Bewusstsein; eine zerrissene Landschaft, die bis heute nur qualvoll vernommen oder besucht wird. Gäbe es nicht eine weltweite Tradition der klassischen Harmonielehre, eine weltweite Instrumental- und Gesangskultur, eine Freude am Tanz schlechthin – wir wüssten wahrscheinlich nichts von lustvoller leibsozialer Interaktion beider Geschlechter. Als John Cage 1952 sein Meisterstück 4:33 zur Aufführung brachte, hatte ein philosophischer Kapitän im Narrenkleid das Ruder herumgeworfen. Nicht sprechen, sondern zuhören, lauschen, wäre vielleicht die Rettung.

2024-10-23T14:51:25+00:0009 '20|Gesprächsrundschau|

August 2020

2020 war wohl zu spät. Schon 25 Jahre zuvor hatte es einen ersten, dramatischen kommunikativen Kollaps gegeben – dieses Jahr 1995 könnte überhaupt in die Geschichte der menschengemachten Gesprächszerstörung eingehen. Seit der berüchtigten Schrift von Carl Schmitt über „Politische Romantik“ 1919, sondert eine Priesterkaste des Streits auch sprachlich Freunde von Feinden; längst bilden sie eine intellektuelle Kolonne. Wer nicht versteht, dass es hier um Machtkämpfe geht, und keineswegs um Verständigung, ist verloren.

Immer feinere Werkzeuge des gegenseitigen Betrugs werden sichtbar, immer größere Reichweiten der Sabotage. Dass ein Mann wie Julian Assange seit Jahren vor sich hin vegetiert, von einem Gefängnis zum andern geschickt und mit drohender Ausweisung gefoltert wird, beleuchtet die brutale Innenausstattung der digitalen Welt nur schwach, aber immerhin deutlich. Gesprächszerstörung findet aber auch anderwärts statt, nämlich durch Bildkonsum. Der Satz „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, gilt eben auch umgekehrt: ein Bild zerstört mehr als tausend Worte – eben weil diese nicht mehr gebraucht werden. Und wirklich: Neben den organischen Gebilden in Flora und Fauna sterben vor unsern Augen bekanntlich auch Sprachen, angeblich dreitausend sind bedroht. Internetdominanz befördert nicht nur der Silicon Valley Speech sondern auch das Chinesische, das die Bildfabrikation seit langem raffiniert beherrscht, mit alltäglichen Milliarden von Emoticons oder Emojis, und den überwältigenden Fortschritten der face detection industry (siehe meine Gesichtsrundschau).

Szenenwechsel: Vor kurzem erschien hierzulande von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun ein sanfter Ratgeber: „Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik“ – als Gegenstück zu Garton Ash, weniger normativ als vielmehr Bestandsaufnahme der unerhört komplexen Situation. Autoren wie Pörksen und von Thun stehen mit dem Wort „Dialog“ in einer eigenen, langen europäischen Tradition. Sie beginnt mit den Griechen, mit Sokrates und seinem Schüler Platon und dessen ausgepichter Kunst des Diskutierens. Seit der Aufklärung, seit Goethe und Hölderlin, gab es den deutschen Philhellenismus mit einem geradezu metaphysischen Gesprächskult. Um 1900 erwachte mit Heinrich Schliemann ein nahezu leibhaftes griechisches Selbstbewußtsein unter den deutschen Bildungsbürgern: ausgerechnet die Deutschen etablierten nach 1918 und mehr noch nach 1945 eine Kultur des Dialogs als Kulturtechnik des Friedens. Jürgen Habermas wurde der Erbe. Sein Hauptwerk, die „Theorie der kommunikativen Vernunft“ von 1981 warf die herrschaftsfreie, argumentativ verbindliche Interaktion unter sprechenden und denkenden Menschen wuchtig in die philosophische Waagschale. Ein idealistischer Entwurf, aber durchaus im Kontext der innigen deutschen Tradition. Wüßte man nicht, welche ungeheure Weltgeltung Habermas bis heute erlangt hat, welche Leserschaft noch das letzte Werk des 93jährigen von heute aufmerksam liest, man könnte an einen deutschen Holzweg glauben. Aber es ist kein Holzweg – sondern die leise Stimme der Vernunft.

2024-10-23T14:52:32+00:0008 '20|Gesprächsrundschau|

Juli/August 2020 – Geschichte der Maske

Anfang Juli 2020 unterhielten sich zwei Mitglieder der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung über das Wort „Gesichtsmaske“: der Jurist Michael Stolleis und die Autorin und Dichterin Ursula Krechel. Die Anregung zu diesem und einigen weiteren „CoronaDialogen“ stammte aus dem Deutschen Wörterbuch, wo seit Juni ein eigenes Kapitel zum Wortschatz der Corona Epoche eröffnet wurde. Im Newsletter des Instituts für Deutsche Sprache IDS hieß es dazu: „Technische Innovationen, historische Ereignisse, sich wandelnde gesellschaftliche Gegebenheiten oder politische Neuerungen – für eine funktionierende Verständigung muss sich der Wortschatz ständig anpassen. Da kann es schnell passieren, dass man ein Wort hört oder liest, das man noch nicht kennt oder bei dem man sich unsicher ist, wie man es schreibt oder spricht.“

Nun also das wahrhaft neu verwendete und für diese meine Rundschau bedeutsame Wort „Gesichtsmaske“ – semantisch etwas redundant, da das Wort „Maske“ ja immer schon ausschließlich Gesichtsverhüllung – oder kosmetische Handlung – bedeutet hat. Folglich sprechen die beiden Akademie-Mitglieder viel über die Kulturgeschichte der Maske im Theater, bei festlichen Hofbällen, karnevelistischen Umzügen, und natürlich in der ärztlichen Geschichte der Pest seit dem 13. Jahrhundert. Nur dort, in den berüchtigten und furchterregenden Schnabelmasken der Pestdoktoren, hat die Maske eindeutige Funktionen: statt eine bekannte Person zu verfremden, wird hier die Person, der zuständige Arzt, übereindeutig gemacht – in seiner amtlichen Funktion. Das Gebilde schützte den Arzt vor Ansteckung und Gestank und ermöglichte zugleich das Zeigen der Geschwüre.

Die heute weltweit verlangte und benutzte „Schutzmaske“, wie man besser sagen sollte, trifft nun aber eben jetzt auf eine völlig neue Szene, geradezu einen Kulturkampf. Nicht nur entstand durch die Flüchtlingsbewegung um 2015 eine aggressiv neue Sicht auf die Schleierkultur der muslimischen Welt. Durften oder dürfen Musliminnen wirklich Niqab oder gar Burka tragen, dürfen sie in der christlichen Welt mit Kopftuch öffentliche Berufe ausüben? Der Streit ist nicht entschieden, immer wieder gibt es Prozesse. Auch gibt es seit 1985 ein Vermummungsverbot für Massenversammlungen und einzelne Situationen, wie etwa eine Vermummung vor Gericht.

Nun also, seit Anfang des Jahres 2020, gilt das Gegenteil: Vermummung von zwei Dritteln des Gesichts durch einen „Mund- und Nasenschutz“ wird staatlich gefordert und zwar weltweit und ganz besonders bei Massenversammlungen. Plötzlich sehen die Menschen weltweit einander seltsam ähnlich, ein „Weltmenschengesicht“ ist unversehens entstanden, während gleichzeitig eine Rassismusdiskussion wütet. Zufall? Plötzlich verstummen auch alle möglichen Raisonnements, die uns ein Leben mit verhülltem Gesicht aus antiislamischen Motiven als mörderische Feindestat erklärt haben. Niemand wollte damals erklären, warum die österreichische Gemeinde Bad Ischl immer schon zahllose gesichtsverhüllte Gäste aus arabischen Ländern geduldet hat – bis die finanziellen Erträge offenbar wurden.

Noch interessanter wird das neue Weltgesicht aber angesichts der politisch- technischen Entwicklungen, wie sie in vielen früheren Einträgen hier beschrieben wurden: das fieberhafte face detection development – im Dienst der verkehrs- aber auch moralpolitischen Überwachung. Nun müssen zahllose Ausnahmeregeln getroffen werden: maskenlos soll man im Auto hinter dem Steuer besser erkannt zu werden, vor Gericht und amtlichen Instanzen natürlich ebenfalls, aber Masken sollen im staatlichen Umgang, etwa Schulen, unbedingt gelten.

Manche BürgerInnen empfinden dies nun als Akt der undemokratischen Grundrechtsberaubung. Am 29. August gab es einen denkwürdigen Prozess dazu in Berlin: Heerscharen von Regierungsgegnern aus ganz Europa, aber besonders aus Stuttgart, wollten sich ohne Schutzmaske in der Hauptstadt treffen – die Richter mussten beraten, wie sie einer drohenden Saalschlacht mit möglichst gewaltfreier Polizeimacht entgegentreten wollten.

2024-10-22T23:43:06+00:0008 '20|Gesichtsrundschau|

Juli 2020

Seit dem 28. Juli 2020 gibt es einen neuen podcast, aus der Taufe gehoben und moderiert von Michelle Obama. Angesiedelt auf Spotify, eingerichtet als Gespräch mit immer wieder andern Menschen, beginnt er mit – ja, natürlich, Barack Obama. Wann haben wir uns zuerst gesehen? Wie war das? Die beiden unterhalten sich höchst lässig. Und die Medien (ausser Fox News) sind begeistert. Sie finden Spotify ebenso im Rampenlicht wie die Spitzenleute der Demokraten, sie müssen nicht wieder Hillary sehen sondern eben die herausragende Vertreterin der schwarzen Minderheit, die heute so hart umkämpft wird. Und sie sehen: die attraktive Mutter zweier Kinder. Und alles im Vorfeld der Wahlen. Wird Michelle womöglich gegen Trump kandidieren? Nein, ich höre, sie hat das abgelehnt, gerade wegen der unglücklich ehrgeizigen Hillary. Aber wie repräsentativ ist dieser lockere speech? Ist er nicht eine unerhörte Ausnahme in unserer weltweit verwilderten Kommunikationsszene.

Szenenwechsel: ebenfalls in den USA erschien soeben ein Buch von Suzanne Noessel, eine der CEOs des amerikanischen PEN: „Dare to Speak. Defending Free Speech for all“. Seit Trumps Amtsantritt bewacht dieser PEN die Szene der Medienkontrolle und – manipulation durch die neue Administration. Längst sind die Amerikaner auf demselben Niveau wie China: der permanente Fake-Vorwurf der Republikaner führte zum Sterben zahlreicher regionaler Zeitungen, denen niemand mehr glauben will oder darf. Journalisten werden eingeschüchtert, entlassen, verunglimpft. PEN America blickt auch über die Grenzen und berichtet von derartigen Attacken weltweit. Das öffentliche Gespräch ist verwüstet. In weiter Ferne liegt der Versuch von Timothy Garton Ash über Redefreiheit – an der er 2016 noch hing, idealistisch ahnungslos über die kommenden Entwicklungen. Zehn Gebote stellte er auf, die ein sozial fruchtbares kommunikatives Verhalten ermöglichen sollten. Die Utopie hieß: Redefreiheit in der digitalen Welt, bei gleichzeitiger Bändigung der negativen Auswüchse, die eine soziale Öffentlichkeit mehr und mehr lähmte. Konnten und würden facebook et aliae gleichzeitig zensieren und Gewinn erwirtschaften?

2024-10-23T14:53:50+00:0007 '20|Gesprächsrundschau|
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