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6. September 2021 – Deep Fake

Vom Neandertal zum Silicon Tal: die SZ berichtet heute von der albtraumartigen Fazial-Technik namens „Deep Fake“. Die HochleistungsHardware einer Firma namens NVidia vermag Menschen derart täuschend echt nachzubilden, dass selbst nahe Menschen die Fälschung nicht bemerken. Die Folgen sind abgründig. Man könnte Personen in Kontexten auftreten lassen, die sie nie erlebt oder erstrebt haben. Man könnte ihren Leumund ruinieren, ihre Arbeit vernichten. Selbst Stimmen lassen sich inzwischen täuschend echt nachahmen – das Todesurteil etwa für Synchronsprecher. Den höllischen Gipfel bildet momentan offenbar eine Firma namens „Hour One“, die Menschen dazu animiert, ihre Gesichter mit Copyright zu verkaufen. Man muss dafür nur einer Aufnahme zustimmen. „Wenn man die resultierenden Daten in eine KI-Software einspeist, kann die Firma daraus eine schier endlose Menge an Videomaterial erzeugen, in dem die entsprechende Person in jeder beliebigen Sprache sagt, was sie will.“ Eine Goldgrube der Werbeindustrie – und ein Lohnverhältnis des Verkäufers mit sich selbst. Brutaler lässt sich das Ende des Selfie-Taumels nicht inszenieren.

2024-10-22T23:40:06+00:0009 '21|Gesichtsrundschau|

4. September 2021 – Mrs. Ples, Alter 2,1 Mio Jahre

Das vorzüglich renovierte Bonner Landesmuseum beherbergt nicht nur den ersten Neandertaler, gefunden 1856 in der Nähe von Düsseldorf. Seit 1877 steht er im Raum, inzwischen rekonstruiert mit ziemlich menschlichen Zügen, nicht zu wulstigen Augenbrauen, nicht zu dicken Lippen oder vorstehendem Kinn. Der Fund entfesselte seinerzeit bekanntlich einen Sturm der Entrüstung. Das sollte eine Spielart des homo sapiens sein, sogar sein Vorfahre? Der damals berühmteste deutsche Mediziner, Rudolf Virchow, bestritt es fanatisch. Er hatte damals gerade zusammen mit Heinrich Schliemann Skelette in Troja ausgegraben, also aus dem 2. Jahrtausend v.Ch., – und überlegt, ob diese alten Griechen nicht eigentlich Germanen wären. Die Rassenkunde war längst zur Elitenkunde geworden. Ein Affe konnte unmöglich im Stammbaum stehen.

Das Landesmuseum beherbergt aber noch ganz andere Vorfahren, wie etwa Mrs. Ples – ein Spitzname für den „Plesianthropos“, ein vielleicht weiblicher Schädel mit dem geschätzten Alter von ca. 2 Mio Jahren. Vergleicht man sie mit andern vormenschlichen Köpfen in dieser Sammlung, so fallen die starken Kinnpartien auf. Sie verraten die Pflanzenfresser, die starke Muskeln brauchten, um Gras und Blätter stundenlang zu kauen. Wer das Weltgesicht unter der Maske von heute betrachtet, könnte die Wiederkehr dieser Kinnpartie im Profil erkennen. Die Menschheit im Rückbau?

2024-10-22T23:40:11+00:0009 '21|Gesichtsrundschau|

27. August 2021 – Und wieder Burka und Turban

Seit einer Woche tobt ein politischer Sturm um den Abzug der US Truppen aus Afghanistan. Präsident Biden musste und wollte den Prozess abschliessen, den sein Vorgänger Trump im Februar 2020 eröffnet hat. Eine Abmachung mit den Taliban, ohne Beteiligung der afghanischen Regierung. Eine Entmachtung zudem, die den Taliban freie Hand im Umgang mit den tausenden von Kollaborateuren der NATO gab. Welche Generäle waren damals beteiligt, welche sind noch unter Biden im Amt, welche sind Republikaner? Ihnen allen – wie der ganzen GOP – kann das Schlingern des demokratischen Präsidenten nur recht sein. So auch den Freunden der verhüllten Köpfe und Gesichter. Burka wird wieder Frauen- , Turban wieder Männerpflicht in Afghanistan. Zu schweigen von der Rückkehr der Frauen ins Mittelalter, vom Ikonoklasmus und Musikverbot. Wer weiss, wieviele Attentäter in den letzten Tagen in Nato- Länder ausgeflogen wurden – in größter Hetze. Wurden die 40tausend geretteten Personen gebührend untersucht? Ihre Auffanglager werden unter Joe Biden jedenfalls nicht Guantanamo heissen.

2024-10-22T23:40:20+00:0008 '21|Gesichtsrundschau|

15. August 2021 – Das böse Weltgesicht

Es musste ja kommen, die Beobachtung der maskierten Weltgesichter durch die Neue Zürcher Zeitung. Nun also durfte hier der prominente Peter Weibel aus Karlsruhe eine Ausstellung kommentieren, „Antlitze“ heisst sie, stammt vom deutschen Künstler Jürgen Klauke und zeigt montiert alle möglichen Gesichtsverhüllungen im Kachelmuster. Welch groteske Anlage, wenn man dahinter die Kachelmuster der gegenwärtigen Zoom-Konferenzen erkennt, mit der sich die Weltgesellschaft ja gerade eben vor Corona rettet. Grotesk daher auch die Schlagzeile der Zeitung: „Das menschliche Gesicht ist in der Krise. Denn mit der Pandemie hat sich die gesichtslose Gesellschaft ausgebreitet, die uns zu virtuellen Verbrechern macht.“ Welche Macht bis zum tiefsten Unsinn haben Schlagzeilenredakteure in Zeitungen? Plötzlich merkt man, wie wohltuend die neue Podcast Kultur doch ist. Sauber artikulierende Stimmen – kein Gebrüll.

2024-10-22T23:40:29+00:0008 '21|Gesichtsrundschau|

4. August 2021 – Helmut Plessner, Philosoph des Leibes

Schon oft konstatiert und fortwährend erlebt wird der zeitgenössische Trend zur Quantifizierung des Daseins. Alles und jedes wird heutzutage in Zahlen gespiegelt und damit eigentümlich vernichtet, mindestens entseelt. Rekorde ebenso wie Katastrophen liefern einen neutralen Mehrwert der Zählbarkeit, die wiederum eine trügerische Aufsicht auf unser Leben schafft, eine Hierarchie zwischen Maximum und Minimum. Das Gegenteil dieser Perspektive hat Oswald Spengler als „Physiognomik“ bezeichnet, als Wahrnehmung von Gestalten in Raum und Zeit. Epochen, Länder, Ereignisse haben demnach „Gesichter“ – irreduzibel in ihrer Einmaligkeit, so wie Namen irreduzibel zur Einzelperson gehören. Oder zu einer Handelsmarke. Oder zu einem Adelsgeschlecht. Oder zu einem Sternbild. Und so fort. Namen und Gesichter sind nicht quantifizierbar, bleiben hartnäckig Qualität.

Man könnte auch an den Hype der modernen „Singularitäten“ erinnern, eine Begriffsfindung des Soziologen Reckwitz, aber Welten liegen zwischen Spenglers Weltgesicht und den Singularitäten mit Facebook. Beide Denker sind gleichweit von einem dritten entfernt: Philosophen Helmut Plessner, einer der eindringlichsten „Gesichtsphilosophen“ des 20 Jahrhunderts. Und warum? Weil er das Gesicht nicht als Markenzeichen behandelte, sondern als Organ. 1941, also vor achtzig Jahren, erschien seine bahnbrechende Studie über „Lachen und Weinen“ mit dem Untertitel „Eine Untersuchung der Grenzen des menschlichen Verhaltens“.

2024-10-22T23:40:34+00:0008 '21|Gesichtsrundschau|

7. Juli 2021 – Gesichtsvergesslichkeit

In der FAZ erfahren wir von den neuesten Forschungen zur grassierenden Vergesslichkeit im Alter, der sogenannten Gesichtsblindheit. Joachim Müller-Jung schreibt: „Jeder Fünfzigste erkennt andere Menschen überhaupt nur mit Mühe oder gar nicht. Prosopagnosie heisst das im Medizinjargon …“ Dabei gelingt Wiedererkennen doch mehrheitlich. In der älteren Forschung sprach man von „Großmutter-Neuronen“, die jetzt auch im Hirn gefunden wurden, „tief unten im Schläfenlappen bei Experimenten mit Rhesusaffen…“ Man entdeckte ein vielversprechendes Areal, „das auf vertraute Gesichter extrem schnell reagiert. … Speist sich die Erinnerung an das Gesicht zudem noch aus einer leibhaftigen Begegnung, feuert dieser Nervenverbund sogar dreimal so stark wie nach Ansicht virtueller Gesichter auf dem Bildschirm.“ Genau das haben wir alle ja immer vermutet. In diesen Tagen wird auch über die enormen Defizite der Schulkinder berichtet, die nun ein Jahr oder länger digital unterrichtet wurden. Bis zu 40% Lernverluste werden beschrieben.

2024-10-22T23:41:07+00:0007 '21|Gesichtsrundschau|

27. Juni 2021 – Androide sehen dich an

Mary Shelley steht mit Frankenstein am Anfang dieser Geschichte. Deutsche Filmfrauen heute zeigen die Sache subtiler, mit Darstellung von androiden Partnern: Maria Schrader in „Ich bin dein Mensch“ und Sandra Woller in „The Trouble with Being Born“. Der „Mensch“ namens Tom ergänzt eine Archäologin, das Automatenkind namens Elli befriedigt Pädophile. Der eine mit strahlenden, das andere mit leblosen blauen Augen.

Gibt es auf diesem Level human akzeptable Ergänzung, gibt es Befriedigung? Optimierende Algorithmen haben längst Einzug in unsere Welt gehalten, real, wie in japanischen Spitälern und Hotels, aber auch literarisch, performativ und nun also auch filmisch. Nur wer die winzigen Etappen zu diesem Ziel vergisst, kann erschrecken. Nahezu unser ganzer Körper lässt sich doch inzwischen erneuern, Zahn um Zahn, Nase, Hüfte, Hand und Fuss, selbst Augen, und immer so fort. Unsterblichkeit rückt grenzwertig in den Blick, das Geschäft der Bildhauer wird zur Ich-Funktion. Hier hatte und hat Facebook eine tragende Selbstbild-Rolle. Aber auch das Gegenteil stimmt: wer heute gepeinigt von „Umvolkung“ spricht, meint nicht Flüchtlinge sondern Roboter, versteht es aber erst bei der Kündigung.

2024-10-22T23:41:12+00:0006 '21|Gesichtsrundschau|

13. Juni 2021 – Bohrende Gesichtserkennung

Wagenbach hat eine neue Buchreihe begründet: „Digitale Bildkulturen“, kleine Bändchen von rund 80 Seiten, über nahezu die ganze Kunstgeschichte – aber eben noch viel mehr. „Gesichtserkennung“ von Roland Meyer etwa umfasst pragmatische Aspekte zwischen Selfies und Überwachungstechnologie. Meyer nennt, welche Komplikationen einer verlässlichen Erkennung individueller Gesichter im Weg stehen. Die Algorithmen brauchen möglichst viele Daten, also Aufnahmen im Netz, um ein Gesicht in allen denkbaren Situationen identifizieren zu können: weinend oder lachend, bei Licht und Schatten, kosmetisch bearbeitet oder anders frisiert oder gar nur halbseitig dargestellt. Erwiesen wurden zuletzt auch die rassistischen Voreinstellungen der Software: schwarze Gesichter werden signifikant schlechter erkannt , also öfter verwechselt, als weisse.

Meyer plädiert daher mit vielen andern für einen Stopp im Gebrauch des maßlos einschneidenden Werkzeugs. Face detection ist ja inzwischen das Herrschaftstool par excellence. Schon im 13. Jahrhundert gab es ausformulierte Anweisungen an die europäischen Fürsten, wie Untertanen physiognomisch – auch stimmlich – einzuschätzen wären. Damals ging es um typische Merkmale, wie auch heute noch bei Bewerbungsgesprächen. Aber heute sucht man vor allem nach individuellen Gesichtern im täglichen Leben, im Berufsverkehr, im Sport, vor allem bei massenhaften Demonstrationen. Die Massen werden mit Drohnen überflogen, gescannt und anschliessend durchsucht, wenn nicht schon Satelliten aus dem Weltall diesen Dienst tun. Dass unser Auge zum stärksten Organ der Welterkenntnis von und nach oben würde – wer hätte es je gedacht?

2024-10-22T23:41:17+00:0006 '21|Gesichtsrundschau|

27. Mai 2021 – Das Gesicht der Schweiz

Schon öfter war hier die Rede von Schweizer Gesichtern. Kein Zufall, stammt doch der eindrücklichste Autor zu diesem „unterhaltsamen“ Gebiet aus Zürich. Johann Kaspar Lavater, der Zeitgenosse und glühende Verehrer von Goethe, schrieb tausende von Sätzen über faziale Menschenkenntnis , als Pfarrer geradezu Gesichts-Seelsorger im doppelten Sinn. Eine helvetische Spezialität im 21n Jahrhundert war dann wieder der Streit um die Burka, nirgends heftiger als hier, wo die wenigsten Burkaträgerinnen leben.

Nach einer Doku gestern im 3sat Programm steht fest: dem Gesicht geht es in der Schweiz so gut wie nirgends. Denn pünktlich zum Abbruch der EU Verhandlungen am 26. Mai lief ein Werbefilm für die schweizerische kosmetische Medizin. Eine einschlägige Praxis mit freundlichen Ärzten war Schauplatz für zwei ältere Schweizerinnen. Die eine wollte ihr Doppelkinn, die andere ihr hängendes Lid verbessern. Alles lief nach Plan. Die Eingriffe wurden ziemlich echt, mit Schnitten und Blut gezeigt – dann aber auch die große Freude danach. Beide Frauen waren überglücklich, wie vom Arzt versprochen.

Zwecks Doku Format wurden ein paar Zahlen beiläufig eingeblendet: etwa 90tausend OPs jährlich werden in der Schweiz durchgeführt; meistens an Frauen, meistens am Brustumfang. 12500 SF kostet momentan allein ein unteres Facelift. Aber wieviel Geld wird mit Botox verdient? Doku-kompatibel durfte zwischendurch eine ältere, unverschönte Ethikprofessorin öfter nach dem Sinn dieser Altersvermeidung fragen. Eindrucksvoll eine jüngere, hübsche Frau, die eine Botox-Behandlung ablehnte, weil sie mimisch lebendig bleiben wollte. Was folgt daraus? Vergessen wir nicht, im Berufsleben arbeitet schon eine Gefühlserkennungsmaschine – siehe den letzten Eintrag.

2024-10-22T23:41:25+00:0005 '21|Gesichtsrundschau|

3. Mai 2021 – Die Maske in der Kunst, die Kunst der Maske

Was für ein Glück für den Diskurs und diese Gesichtsrundschau! Die Gerda Henkel Stiftung hat heute die beste Kennerin der Maskenkunst zum Interview geladen. Eine Stunde spricht Christian Kruse, Professorin für Kunst- und Bildwissenschaft an der Muthesius Hochschule in Kiel, zur Geschichte von Maskierung und Entlarvung, von Ästhetik und Mode und von humaner Interaktion: im Bann der Kultur wie auch im Bann der Pandemie. Wer an diesen fesselnden Ausführungen interessiert ist, sollte L.I.S.A. aufrufen, das Wissenschaftsportal der Stiftung.

Was für eine Fülle an Assoziationen erweckt dieser kunsthistorische Parcours! Wir erinnern uns doch: bevor es wirklich ernst wurde mit dem Sterben, mit Bildern überfüllter Spitäler, Patienten im Beatmungsmodus, panischer Distanzierung, mochte man ja noch spielerisch mit dem Kleidungsstück umgehen. Die arabischen Modisten haben es ja vorgemacht, Niqab aus Tausendundeiner Nacht tauchte ins Bild. Dann die vielen selbstgemachten Stoffmasken aus alten Männerhemden oder Blusen. Die paarigen Masken für Ihn und Sie. Die Masken passend zum Kostüm oder Abendkleid. Ja, das gab es alles, aber eigentlich eher nur im Westen. Aus den asiatischen Ländern drang unaufhaltsam das heutige Weltgesicht, der medizinische Notfall durch. Heute regiert es uns fast alle, schwarz oder weiss.

Mit Recht wird im Interview gefragt, ob der Phänotyp des maskierten Menschen wohl auch von der Kunst als Motiv entdeckt werden wird. Ich bin sicher. Das Zwischenglied zwischen medizinischem Alltag und Kunst wäre ja das Theater und der Film und überhaupt die gesamte Comic Kultur. Lauter Bühnen der Maskierung und De-Maskierung. Ein großes Thema. Welche Gesichter die Regisseur:innen der Zukunft uns zeigen werden, wie diese Gesichter wiederum als Video ins bewegte Bild überführt werden, welche Masken die gaming Kultur bereithält im Übergang zum Roboter: einiges davon habe ich hier ja schon öfter erörtert. Und auch meine pessimistische Vision: die FFP2 Masken bilden formal eine Schnauze und keinen Mund mehr ab. Eine Evolution ist im Gange.

2024-10-22T23:41:30+00:0005 '21|Gesichtsrundschau|
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