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Juni/Juli 2011

Denkwürdig fand unlängst die FAZ die Tatsache, dass Facebook inzwischen einen Gesichtserkennungsdienst auf den eigenen Seiten freigeschaltet hat. Von nun an kann man jedem Mitglied, das auf einem Foto übermittelt erscheint, einen Namen zuordnen. Angeblich eine praktische Erfindung, auch wenn die Zuordnungen nicht immer stimmen. Mit Recht schreibt aber die Zeitung am 13. Juli auf der ersten Seite: „Rasterfahnder werden das auch so sehen“ – und ermahnt die User, dass man den Dienst auch nachträglich deaktivieren kann. „Vielleicht wäre jetzt der richtige Augenblick.“

Parallel dazu erfahren wir aus dem New Scientist von einer neuen Erfindung: einer Brille, welche die aktuelle Stimmung des Gesprächspartners erkennen helfen soll. Rosalind Picard vom MIT hat in diese Brille eine Kamera eingebaut, die im Gesicht des Gegenübers 24 verschiedene Punkte abtastet, die Wiederholungen der Mienen registriert und das Schema mit sechs gespeicherten Gesichtsausdrücken aus der Forschung vergleicht. Es sind dies die Mienen von Denken, Zustimmung, Konzentration, Interesse, Verwirrung und Ablehnung – als könne man dies wirklich

eindeutig fixieren. Das Ergebnis wird über Lautsprecher am Brillengestell mitgeteilt. Das Ganze soll natürlich eigentlich der Kontrolle der Werbung dienen: kommt sie an oder nicht?

2024-10-22T23:45:07+00:0007 '11|Gesichtsrundschau|

Mai 2011

Das Jahr 2011 will wenigstens hierzulande offenbar zum Jahr des Gesichts werden. Nicht nur die steigende Zahl der Operationen – siehe den Eintrag vom April -, die neuen Mitgliederrekorde bei Facebook, (inzwischen 20 Mill.), auch die markanten Publikationen lassen darauf schließen. So erschien vor kurzem bei Rowohlt das Hauptwerk des amerikanischen Gesichtsfachmanns Paul Ekman unter dem Titel Ich weiss, dass du lügst. Die Erstausgabe von 1991 hieß Telling Lies, aber dann gab es den 11. September 2001, Ekman wurde vom neu gegründeten Home-Ministry angeheuert und erweiterte seine Kompetenz um die physiognomischen Erfahrungen im Umgang mit arabischen Terroristen. Weitere Zusätze gab es 2009, nachdem die höchst erfolgreiche und von ihm beratene Fernsehserie Lie to me erstmals ausgestrahlt wurde. Ekman, der für CIA und die US Armee gearbeitet hat, gilt heute als unbestrittener Chefanalytiker physiognomischer Datensätze.

Ebenfalls ein Hauptwerk zur Anthropologie und Psychoanalyse des Gesichts erschien soeben auf deutsch von Pierre Legendre, dem französischen Juristen und LacanSpezialisten: Gott im Spiegel. Untersuchungen zur Institution der Bilder, Turia & Kant, Wien ; ein Grundwerk zum Problem des Narzissmus. Angekündigt ist ferner ein Werk des Kunsthistorikers Hans Belting über „Gesicht und Maske“. Was schließen wir aus diesem „facial turn„? Warten wir ersteinmal noch ab.

2025-09-30T17:25:03+00:0005 '11|Gesichtsrundschau|

April 2011

Zu Ostern berichtete die New York Times über Gesichtsoperationen in China, einem boomenden Geschäft. Die Internationale Gesellschaft für plastische Chirurgie schätzte die Zahl der Ops im Jahr 2009 auf mehr als zwei Millionen; damit stand China nach den USA und Brasilien an dritter Stelle. Und die Zahl verdoppelt sich jährlich. In den letzten Jahren wurden Ausgaben in diesem Sektor zum viertgrößten Posten der Privatausgaben.

Wie überall rangieren dabei Gesichtslifting und Faltenentfernung an erster Stelle, aber inzwischen steigt die Zahl der Patienten unter dreissig signifikant. Vor allem Lidoperationen und Augenvergößerung nach westlichem Vorbild sind gefragt; dann aber auch markantere Nasen, im Gegensatz zur westlichen Tradition des sogenannten „Nosejobs“. Schließlich soll noch das Kinn schmaler und länger werden. Trotz bedenklicher Mängel im medizinischen Standard kommen 30 bis 40 % der operierten Patienten zurück, um weitere Eingriffe machen zu lassen. Begründet wird alles mit besseren Erfolgsaussichten im Geschäftsleben. Und bedenkt man die Rolle der Porträts in der netzbasierten Ökonomie, kann man kaum widersprechen. Das westliche, aber auch orientalische Gesicht setzt sich durch – aber wer weiss wie lange noch. Vgl.
Sharon LaFraniere, For many Chinese, New Wealth and a Fresh Face, NYT April 23, 2011

Zu all diesen Entwicklungen lese man unter anderm Bernhard Poerksen und Wolfgang Krischke (Hrsg.): Die Casting-Gesellschaft. Die Sucht nach Aufmerksamkeit und das Tribunal der Medien. Halem, Köln 2010.

2024-10-22T23:45:19+00:0004 '11|Gesichtsrundschau|

März 2011

Es hat kein besonderes Aufsehen mehr erregt, was an der Front der kosmetischen Chirurgie im vergangenen Monat stattfand: die erste Volltransplantation eines Gesichts in den USA. Ein 25jähriger Texaner namens Dallas Wiens, der bei einem Unfall völlig entstellt worden war, erhielt im Brigham and Women’s Hospital in Boston in einer 15stündigen Operation ein komplettes Gesicht, das er inzwischen auch ein wenig bewegen kann. Es ist, nach den Operationen

in Spanien und Frankreich der dritte Versuch. Wie die Immunreaktion ausfallen wird, muß sich allerdings erst noch zeigen.

Auch an anderer Stelle gibt es chirurgische Gesichtseingriffe. In einer großangelegten Forschungsreihe, von der Volkswagenstiftung finanziert, präsentiert sich die Abteilung für Kinder Neurochirurgie der Berliner Charité zusammen mit dem Berliner Zentrum für Literatur – und Kulturforschung. In den kommenden drei Jahren soll die Geschichte der medizinischen wie kulturellen Schädelwahrnehmung und Schädelmanipulation reflektiert werden. Darüber wird wird weiter berichtet!

2024-10-22T23:45:25+00:0003 '11|Gesichtsrundschau|

Februar 2011

Eine Ausstellung im Münchner Haus der Kunst und ein opulenter Fotoband haben Ende letzten Jahres den fazialen Diskurs denkwürdig zugespitzt. Die Ausstellung, die Anfang Februar endete, zeigte Gesichtsbilder der holländischen Malerin Marlene Dumas, kombiniert mit Werken alter Meister wie Rembrandt, Hals, van Dyk und anderen. Zusammengeführt wurden sie unter dem Titel „Tronien„: einer Bildgattung vor allem aus dem 17. Jahrhundert, in der das Gesicht in einer Mittellage zwischen Musterbild, Ausdrucksstudie und Maske erscheint, also ohne Bezug auf ein lebendes Modell. So entwirft auch die Malerin Dumas Hunderte von Gesichtern meist von Frauen, und die Modelle sind unwichtig, meist steht die Miene allein im Raum und redet zum Betrachter. Hohle Vielfalt? Kann wirklich Jesus als Vera Ikon hier auftauchen – weil es einen historischen Jesus nicht gab?

Keine Idee von Maske, keine Idee von Muster oder Ausdrucksstudie gibt es in dem Fotobildband Menschenaffen wie wir.Porträts einer Verwandtschaft von Jutta Hof und Volker Sommer. Eine Großaufnahme nach der andern präsentiert Individuen aus den vier großen Gruppen Orang Utan, Gorilla, Schimpanse und Bonobo. Jedes Gesicht gehört einem Individuum, jedes hat auch typische Züge, jedes einen emotionalen Appell. Könnten wir ohne eine solche Idee von authentischen Gesichtern überhaupt leben?

2024-10-22T23:45:29+00:0002 '11|Gesichtsrundschau|

Januar 2011

Das neue Jahr beginnt mit den Verlagsvorschauen, die immer früher kommen und immer längere Jahresstrecken ankündigen. Das Hauptereignis zum ersten Januar war natürlich die Unterstützung von Facebook durch Goldman Sachs und russischer Hilfe: 500 Millionen Dollar sind zugezahlt worden, auf fast 50 Milliarden Dollar hat sich der Wert des „Gesichtsbuches“ erhöht, man wartet gespannt auf den Börsengang.

Im Kunstverlag Schirmer Mosel gibt es das begleitende Bildprogramm: Gleich drei berühmte Fotografen werden mit Porträtalben vorgestellt: über 500 Man-Ray-Portraits aus dem Centre Pompidou; der griechisch-britische Fotograf Platon mit einer Sammlung von 130 Gesichtern unter dem TItel „Power-Ein Portrait der Macht“ sowie ein „Pantheon des deutschen Films“ in hundert Farbtafeln von Jim Rakete. Sicher werden es nicht die letzten GesichterSammlungen in diesem Jahr bleiben, denn für den kommenden August ist im Berliner Bode Museum einen strahlende Ausstellung mit 150 Portraits der Renaissance angekündigt! Wird man, nach dem Börsengang von Facebook, nicht bald vom Facial Turn sprechen?

2024-10-22T23:45:35+00:0001 '11|Gesichtsrundschau|

November/Dezember 2010

In der ersten Dezemberwoche findet in Dresden ein Kongress zur Datensicherheit im Internet statt – eines der Hauptthemen wird, laut Thomas de Maziere, dem Innenminister, die Frage der Gesichtserkennung sein. Neueste Software erlaubt ja, die Gesichter auf digitalen Porträts namentlich so zu kodieren, dass diese Gesichter im Internet sofort überall wieder erkannt und

benannt werden können. Kann man das verhindern? Es ist doch, als sei ein Lasso ausgeworfen, dem niemand mehr entgehen kann, oder nur Menschen in der Dritten Welt ohne Internetanschluss.

Umso auffälliger sind die Anstrengungen der kosmetischen Chirurgie, die inzwischen eine „Epithetik“ kennt. „Epithetiker“ sind kosmetische Chirurgen, welche Unfallopfern das Gesicht rekonstruieren: nach dem Vorbild von „Prothetik„. Anders als die „Prothetiker“, die ja auch mit nicht analogen Gliedmassen arbeiten können – also etwa einem Holzbein – müssen die Epithetiker das Gesicht so genau wie möglich rekonstruieren, bzw. verbessern. Die FAZ brachte am 1. Dezember einen Bericht über Jörn Brom, einen von 38 Epithetikern in Deutschland.

2024-10-22T23:45:39+00:0012 '10|Gesichtsrundschau|

September/Oktober 2010

Die im August berichteten Rechtstreitigkeiten um das Wort „Face“ haben im Oktober sozusagen ihren Höhepunkt erreicht: nämlich im Film um den Begründer von Facebook, Mark Zuckerberg. The Social Network startete am 1. Oktober und hat seither Millionen Zuschauer und Dollar eingebracht.

Verblüffend für Facebook-Laien ist der Ursprung des Ganzen angeblich aus der Laune zweier Studenten, mit technischen Mitteln die Schönheit der Freundinnen zu evaluieren. Im Klartext: evolutionäre Ästhetik zu betreiben. Vor aller Welt möglichst schön, oder mindestens interessant zu erscheinen, sich selbst im Akt des Kommunizierens als Marke zu etablieren, ist Facebook also von Anfang an eingeschrieben. Es ist damit auch ein Sieg der ökonomischen Vernunft, die auf Wettbewerb setzt. Dass es dabei auch durchaus unredlich zugeht, ist das Thema des ganzen Films, der als Gerichtsverhandlung angelegt ist, aber mit einem Vergleich endet.

2024-10-22T23:45:44+00:0010 '10|Gesichtsrundschau|

August 2010

Am 27. August berichtete der Web 2.0 Blog TechCrunch, dass die Firma Facebook im Moment versucht, den Wortbestandteil „Face“ als eigenen Markennamen schützen zu lassen. „Facebook“ als Kompositum ist natürlich längst geschützt. Die Marke „Face“ erhielten die Betreiber angeblich ursprünglich von einer britischen Firma namens CIS Internet Ltd, die ihrerseits eine Site namens „Faceparty“ betrieb.

Wie auch immer: laut TechCrunch hat Einspruch gegen dieses Marketing Aaron Greenspan erhoben, der sich als eigentlichen Erfinder von Facebook betrachtet, damit aber juristisch unterlag. Inzwischen hat er eine eigene Firma namens Think Computer, die ihrerseits ein App für handys unter dem Namen „Face Cash“ vertreibt. Face Cash! Andererseits gibt es auch bei Apple eine VideoMarke namens „Facetime“… Wie auch immer: laut TechCrunch hat Einspruch gegen dieses Marketing Aaron Greenspan erhoben, der sich als eigentlichen Erfinder von Facebook betrachtet, damit aber juristisch unterlag. Inzwischen hat er eine eigene Firma namens Think Computer, die ihrerseits ein App für handys unter dem Namen „Face Cash“ vertreibt. Face Cash! Andererseits gibt es auch bei Apple eine VideoMarke namens „Facetime“…

Facebook, Faceparty, Face Cash, FaceTime: die Inflation des Wortes im Web 2.0 entspricht einer Entwicklung, die das neue Buch von Bernhard Pörksen und Wolfgang Krischke beschreibt. Die Casting Gesellschaft liefert schlagende Beobachtungen zum heutigen Stand der digitalen Gesellschaft. Facebook, Youtube, Flickr etc. „Ein ganzes Volk wirkt mit an der Verbreitung einer >indiskreten Technologie< (so der Soziologe Georg Cooper), die eine fortwährende wechselseitige Beobachtung und ein den Alltag durchdringendes Medientraining erlaubt. Ich trete auf, also bin ich!“

Aber ist das wirklich so neu? Hat nicht der französische Sozialphilosoph Guy Debord schon 1967 seine Sozialkritik namens La Societé de Spectacles veröffentlicht? Und fast zehn Jahre zuvor Erving Goffman den Bestseller Wir alle spielen Theater? Und hat nicht überhaupt der

amerikanische Soziologe David Riesman bereits in den 50er Jahren den Begriff der „aussengeleiteten Gesellschaft“ geprägt, womit er die kommende Mediengesellschaft beschrieb? Sein Buch namens The lonely crowd erschien zuerst 1950 und gilt als erster soziologischer Bestseller überhaupt. Der zweite Band von 1952 hiess dann schon Faces in the crowd.

2024-10-22T23:45:50+00:0008 '10|Gesichtsrundschau|

Juli 2010

Das Wort Gesicht scheint umgangssprachlich immer mehr synonym mit dem Wort Person zu werden – Facebook machts möglich. „Gesicht zeigen“ heißt seit einigen Jahren eine Kampagne gegen Fremdenhass – hier versteht man unter Gesicht allerdings den Anteil an Zivilcourage im öffentlichen Auftritt, das Hinsehen statt Wegsehen.

In der FAS vom 25. Juli wird von den Erfolgen berichtet, die Paul Ekman (*1934), der dienstälteste Mimikforscher der scientific community, noch immer zu verzeichnen hat. Sein in den sechziger Jahren entwickeltes sogenanntes Face Action Coding System (FACS) tritt mit dem Anspruch auf, interkulturell gültige, also angebornene mimische Kundgaben gefunden zu haben, basale Gesichtsausdrücke von Wut, Freude, Überraschung, Trauer u.a. In den Jahren nach seiner Emiritierung hat sich Ekman als teurer Lügendetektor sowohl der Wirtschaft wie der Politik anempfohlen, zuletzt dem US-Homeministry mit dem Versprechen, Terroristen bei den Grenzkontrollen entlarven zu können. Die Ergebnisse sind aber unbefriedigend, und die Kollegen bezweifeln das nicht öffentlich gemachte Verfahren. Körpersprachlich nervös werden kann man im Gespräch mit Grenzkontrolleuren aus vielerlei Gründen.

Genutzt wird das FACS aber inzwischen auch von der Roboterindustrie. In den USA und n Südkorea arbeitet man an der Entwicklung sogenannter „social machines“, die in der Kindererziehung eingesetzt werden und Sprachunterricht erteilen sollen. In beiden Fällen müssen sie sowohl Mimik entziffern als auch selbst produzieren können. Die wichtigste Miene im zutraulichen Umgang ist nach wie vor das Lächeln. Die entsprechende Software wurde angeblich an 70tausend Personen erarbeitet. New York Times 16. Juli 2010.

2024-10-22T23:45:55+00:0007 '10|Gesichtsrundschau|
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