Das Rad der physiogonomischen Hysterie dreht sich immer schneller. Am 1. Oktober teilte die Neue Zürcher Zeitung mit, dass sich als Spiel des Jahres ein Game namens „Pie Face“ herausgestellt hat. Die NZZ schreibt: „Es wurde 1968 erstmals von Hasbor veröffentlicht, die Lizenz ging später aber an Rocket Games über. Das Spiel geriet in Vergessenheit, bis in der Vorweihnachtszeit 2014 ein Video auf Facebook über 30 Millionen mal geteilt wurde: Es zeigt den Barbier-Salon-Besitzer Martin O’Brien aus dem schottischen Wishaw, wie er mit seinem Enkel Pie Face spielt, dabei viel Spass hat und Schlagrahm mitten ins Gesicht bekommt. (…) Das Ganze ist ein Kinderspiel und soll Spass machen, mehr nicht.“ Und doch wurde es ein Millionenseller nicht nur für Kinder. Man könnte sagen: es hat endlich Facebook um ein Kinderformat erweitert. Bedenkt man, dass noch vor rund 6 Jahren deutsche Studenten das Wort Facebook nicht übersetzen konnten, weil der Name für sie nur ein Laut war, ist das doch ein Fortschritt.

Ernster ist schon die neue „Enke App“. Sie wurde vor ein paar Tagen vom DFB vorgestellt, der Name stammt vom ehemaligen Nationaltorwart Enke. Ein Torwart muss Schüsse ins Tor abwehren, so wie wir normalerweise doch auch Torten vor dem Gesicht aufhalten. Die Enke App. gehört zur Gruppe der gesichtserkennenden Computer, des „Affective Computing“, dem sich vor allem das Institute for Creative Technologies in LA widmet. Hier werden auch robotische Therapeuten entwickelt, wie die frühe Eliza, denen sich Menschen offenbar nicht ungern eröffnen, weil sie Mimik und Stimme der Patienten genauestens registrieren und deuten können. Auch Lehrer werden inzwischen so hergestellt, die auf die Schüler mehr Eindruck machen, weil sie irgendwie lustig und neutral wirken. „Overtrust“ nennt man diese Einstelllung, die vom Fraunhofer Institut hierzulande erforscht und genutzt wird. Der Ethiker Arne Manzeschke begleitet diese Entwicklungen. Er fürchtet weniger den Fortschritt der Technik als vielmehr die menschliche Bereitschaft, sich selbst als Maschine zu begreifen.

Geradezu atemberaubend in dieser Hinsicht ist das Interview mit den Chefs von Microsoft im SPIEGEL vom 15. Oktober. Nicht nur ist diesen Machern die soziale Welt völlig gleichgültig, sie sehen sie auch schon durch das Cloud Computing vollkommen umgestaltet. Wie die Welt sich den Strom besorgen soll, den man zu all diesen smart objects benötigt, bleibt unbesprochen.