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17.12.2025 – Der Melierdialog, erneut

Wikipedia fasst ihn bündig zusammen:

„Der Melierdialog ist eine berühmte, in der Geschichts- und der Politikwissenschaft bis heute diskutierte Textstelle (Buch 5, Kapitel 84–116) aus dem Werk Der Peloponnesische Krieg des griechischen Historikers Thukydides, in der es um das grundlegende Verhältnis von Recht und Macht geht. Geschildert wird ein Streitgespräch zwischen den Vertretern der mit Krieg drohenden Hegemonialmacht Athen, die ultimativ die Unterwerfung der Bewohner von Melos unter den Attischen Seebund verlangen, und den Verhandlungsführern der Melier, die ihrer Insel die Unabhängigkeit von Athen zu erhalten suchen.“

ab Zeile  5,84 .1 heisst es in der Übersetzung von Egon Gottwein, einem Gymnasiallehrer und frühen Digitalphilologen:  

(2) Die Melier aber sind eine Kolonie der Lakedämonier und wollten sich nicht gleich den übrigen Inselbewohnern Athen unterwerfen, sondern blieben anfangs ruhig, indem sie sich zu keiner der beiden Parteien hielten; dann aber gerieten sie, da die Athener sie durch Verwüstung ihres Landes mit Gewalt zwingen wollten, in offenen Krieg.

(3) Die Feldherrn Kleomedes, der Sohn des Lykomedes, und Teisias, der Sohn des Teisimachos, bezogen daher mit jener Truppenmacht ein Lager auf ihrer Insel. Bevor sie jedoch an ihrem Land eine Gewalt verübten, schickten sie zuvor Gesandte, welche mit ihnen in Unterhandlung treten sollten.

Die Melier ließen diese nicht vor das Volk, sondern befahlen ihnen vor den Behörden und den Oligarchen vorzutragen, weshalb sie gekommen seien. Die Gesandten der Athener sprachen hier folgendermaßen:

85) „Unsere Rede richtet sich nicht an das Volk, damit nicht die große Menge durch einen zusammenhängenden Vortrag, wenn sie ein für allemal von uns verlockende und unwiderlegliche Dinge hört, verführt werde; denn dies, denken wir, will das besagen, dass ihr uns vor eine oligarchische Versammlung führt. Wohl, so wählt ihr, die ihr hier versammelt seid, einen noch sichereren Weg:

Entscheidet Punkt für Punkt, entscheidet auch ihr nicht in einer langen Rede, sondern nehmt, wenn euch etwas nicht angemessen scheint, was wir sagen, sogleich das Wort und sprecht darüber eure Ansicht aus. Zunächst nun sagt, ob ihr mit unserem Vorschlag einverstanden seid!

Die Abgeordneten der Melier erwiderten hierauf:
„Gegen die Billigkeit des Vorschlags, uns einander in Ruhe zu belehren, lässt sich nichts einwenden; der Krieg aber, welcher bereits gegenwärtig ist und nicht aus der Ferne droht, steht damit offenbar in Widerspruch. Denn wir sehen, dass ihr selbst als Richter über das, was gesagt wird, da seid, und dass das Ende der Rede nach aller Wahrscheinlichkeit uns, wenn unsere gerechte Sache siegt und wir deshalb nicht nachgeben, Krieg, wenn wir aber nachgeben, Knechtschaft bringt. “

 

 

2025-12-17T18:59:02+00:0012 '25|Gesprächsrundschau|

9. Dezember 2025 – Wie Waffen telefonieren

statt nur zu sprechen, konnte man heute in der New York Times erfahren. Das Editorial Board – also nicht einfach ein Opinion Autor – sprach über die Fortschritte der Waffentechnik: „Targeted bioweapons. Drowns that kill of their own“. „This is the future of war“.  Während die ukrainischen Meister der Drohne ferngesteuerte Einzelmaschinen verschiessen, widmet sich China schon dem Entwurf ganzer Schwärme. „Soon such swarms could hunt and kill of their own.“  Hitchcocks Vögel kommen einem sofort in den Sinn.  Aber die Innovationen beschränken sich nicht auf SF Filme, sie entstehen konkret, und zwar unter unglaublicher Kooperation von öffentlicher Hand, privater Intelligenz, parlamentarischer Zustimmung und astronomischer Geldsummen der US Billionäre. Noch, schreibt die NYT, stehen die USA an der Entwicklungsspitze, aber Russland und China schliessen auf. Und Israel. Und die Ukraine. Vorrangig entwickelt werden überall KI  gestützte Zielsysteme für Drohnen, die auch Einzelpersonen erkennen und töten können. Face detection in action. Was könnte das für den Widerstand in Diktaturen bedeuten?

2025-12-09T16:17:54+00:0012 '25|Gesprächsrundschau|

8. Dezember 2025 – Selenykyjs Gesicht

zieht sich nach innen, wenn so ein Akt oder auch dessen Beschreibung überhaupt möglich ist. Er muss mit dem ungeheuren Gesichtsverlust fertig werden, den reale oder fingierte Korruptionsfälle aus seiner nächsten Umgebung verschuldet haben, von Menschen, die vielleicht irgendwann belangt werden, aber nun einfach erstmal von der Bühne verschwinden. Gleichzeitig muss die EU mit sich ringen, ob ein Land mit derart gravierender innenpolitischer Implosion dennoch aufgenommern werden kann, womöglich im Widerspruch zu allen Maßstäben, die einst aufgestellt wurden. Waren sie naiv, diese Vorschriften gegen mafiose Strukturen, hoffte man auf ein Ende des Familien- oder Brüderdenkens im europäischen Riesenverbund von 500 Millionen Menschen? Jedenfalls gelingt es den etablierten Parteien nur mühsam, die demokratische Verfassung familial zu polstern. Alles strebt zum Übervater, sei es der Zar, der Kaiser, der Boss.  Figuren also, deren Gesicht eine territorialer QR Code ist.

2025-12-08T10:26:47+00:0012 '25|Gesichtsrundschau|

7. Dezember 2025 – Das Abstimmen

ist ein Sprechakt eigener Art, weil stumm, aber dennoch vollziehbar durch Hand heben oder Zettel einwerfen. Die Abstimmung im deutschen Bundestag am 5. Dezember brachte noch eine Variante: die Stimmenthaltung der 53 Linken. Erst diese verschaffte dem Kanzler die erwünschte Mehrheit von 318 Stimmen bei 224 Gegenstimmen. Schon zum zweitenmal haben die Linken nun Kanzler Merz aus der Patsche geholfen: zuerst bei der Abstimmung des Bundeshaushaltes im Sommer 2024; nun also bei der mindestens so gravierenden Rentenfrage. Die Unterstützung wurde trotz roter Linie nach links angenommen, um nicht nach rechts zu fallen, in die Arme der AfD. Dieser Partei hat nun vorgestern Präsident Trump seine volle Unterstützung zugesagt, wie auch allen anderen rechtslastigen oder -extremen Parteien anderer europäischer Länder. Europa zerfällt, heisst die Putin-Version aus Washington, zersplittert wird es durch Kulturkämpfe, Migrantenabschaffung und Natoauflösung.  Aber vorher zerfällt die Ukraine. Die EZB hat soeben den Rekurs auf russische Gelder in Belgien verboten.
Was hätte Deutschland ohne die Stimmenthaltung der Linken getan?

2025-12-07T17:52:43+00:0012 '25|Gespräch|

30. November 2025 – Wilde Gerüchte

sind eine eigene orale Gattung, verwandt mit Verschwörungsmythen, aber nicht identisch. Wilde Gerüchte wurden erst ein Mal gezeichnet1943 von A. Paul Weber, einem satirischen Grafiker aus Thüringen, Enkel eines Maschinenfabrikanten, Soldat im 1. und 2. Weltkrieg. Das Bild hiess „Das Gerücht“ und zeigt vor einem Hochhaus eine fliegende Schlange mit Menschenkopf, Glubschaugen und Spitzohren, der Körper von Augen besetzt, der Schwanz zerfasert in einen Schwarm. Aus allen Fenstern des Hochhauses schauen Menschen gierig zu. So betrachten die Medien gerade den Friedensprozess um die Ukraine. Drei Kapitel umfasst das Gerücht: den Verlust von ukrainischen Gebieten, den Verlust der Glaubwürdigkeit durch Korruption, den Verlust der Bündniskraft. Die ätzenden Nachrichten über Korruption würden die Aufnahme in die EU verhindern. Die Teilung des Landes würde Russland die Rohstoffausbeutung überlassen und den USA den Gewinn. Das Kraftwerk Saporischja stünde als Ersatz einer atomaren Kriegsmaschine bereit, als Ersatz eines militärischen Aktes, auf den keine NATO zu reagieren hätte. Wer spricht mit wem, wann und wo und wie lange?

2025-12-08T09:57:58+00:0011 '25|Gesprächsrundschau|

27. November 2025 – Wenn Rubel sprechen

versteht auch Präsident Trump diese Sprache und greift ein. Der unsägliche Deal , fälschlich Friedensplan genannt, beruht auf dem augenblicklichen Höchststand der russischen Anlagen bei Euroclear – der europäischen Bank in Belgien. Rund 725 Milliarden Dollar waren es im Oktober, davon 185 – 200 Milliarden momentan  eingefroren durch EU- Sanktionen.  Die EU konnte mit andern Worten den enormen Zuwachs dieses russischen Vermögens nicht bremsen. Euroclear fürchtet nun russische Klagen, falls die Summe zum WiederAufbau der Ukraine benutzt wird, sei es auch nur als Besicherung von Krediten. Nun will Trump mindestens 100 Milliarden, mindestens. Hat er Schutzversprechen gegeben? Ist ein Deal eine Sprachleistung – oder nicht vielmehr eine Rechenleistung, gehören Zahlen überhaupt zur Sprache?

Die Zeit drängt aber auch wegen des Atomwerks Saporischja. Es wird von Russland kontrolliert, leistet aber keine Versorgung mehr und muss momentan von Notstromaggregaten gesichert werden. Das sagt heute die KI von Microsoft namens CoPilot.

2025-11-27T10:08:12+00:0011 '25|Gesprächsrundschau|

22. November 2025 – Wer spricht? Wer hört? Wer gehorcht?

das muss beantworten, wer sich um Sprechakte kümmern will, wie etwa gerade jetzt um das Friedensdiktat gegen Präsident Selenskij und die Ukraine. Sie sollen sich unterwerfen. Aber gab es die Szene mit zwei Diktatoren und einem Opfer nicht schonmal?  Klassisch gebildete Leute erinnern sich an den Melierdialog des Thukydides;  Zeithistoriker denken an Näherliegendes. Richtig: die diktatorischen Verlautbarungen von Trump und Putin haben ein grausames Vorbild im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 – nur diesmal teilen die imperialen Raubtiere einander nicht Polen, sondern die Ukraine im Frass. Hier will Geschichte sich wiederholen, in hochneurotischen Identitätsexzessen, wenn nicht gar historischen Wahnsinns. Putin, der die Ukraine als NS-Imitat bezeichnet, und damit seinen Überfall als Wiederholung des „großen vaterländischen Krieges“ etikettieren will; Trump, der von Anfang an dem Drehbuch des Hitlerismus folgte, angefangen von seiner Dolchstoßlegende (Wahlbetrug), über den Marsch auf die Feldherrenhalle (Marsch auf das Kapitol),bis  zur Abfassung einer Programmschrift (Project 2025). Und nun also der Pakt mit Russland. Wie lange wird er halten?  Gab es nicht zwischen Februar und Mai 2025 einen Vertrag zwecks Rohstoffgewinnung, mit dem Trump Präsident Selenskij  schützen zu wollen vorgab? Wann wird Trump diesen Deal zum Anlass eines Einmarsches nutzen?

Nachtrag 25. 11.: Anne Applebaum hat im Atlantic Magazine auf den Hitler-Stalinpakt hingewiesen.

 

 

2025-11-25T12:14:47+00:0011 '25|Gesprächsrundschau|

15. November 2025 – Das hybride Gespräch

dominiert ja schon längst unsere kommunikative Szene, gespenstischerweise parallel zur hybriden Kriegsführung.  Altmodische Briefe und Karten auf Papier werden zwar noch geschrieben und ausgeliefert, aber nur selten; es sind Luxusartikel im Beziehungssektor. Meist kommen nur noch emails, Whatsapps, Festnetzanrufe, handySMS usw. Das „Teilen“, das als angelsächsisches „share“ unser schönes Wort „Mitteilen“ verdrängte, erlaubt Kommunikation durch blosses Zusenden, wie schon bereits die riesige Emoji-Industrie aus Asien. Hinzu kommen die von Petra Gehring schon früh eindringlich beschriebenen Chöre des öffentlichen Raumes: Demonstrationen ohnmächtiger Untertanen, teils mit skandierten Rufen („Wir sind das Volk“) , teils mit beschriebenen Kartons für Zuschauer ohne audioApp oder karnevalesken Figuren für Liebhaber der Satire. Einen Spitzenplatz besetzten hier denkwürdige chinesische Demonstrationen mit leeren weissen Blättern. Oder mit Regenschirmen.  Durch und an diesen öffentlichen Raumgruppen, den Eiterbeulen des sozialen Verkehrs,  entstehen Kriege wie Wundbrände; sie sind das missing link zum hybriden Bürgerkrieg. Wie weit kann er gehen?

Im Oktober 2025 verbreitete Donald Trump eine KI Satire auf seiner Plattform Truth Social; man sah „König Trump“ in einem Kampfjet mit Krone über die „No Kings“-Demonstrationen fliegen und dabei garnicht symbolisch Fäkalien („bullshit“) auf die Protestierenden abwerfen. „bullshit“ war auch das Stichwort des einstigen Beraters Steven Bannon: er schlug schon früh die Verwüstung der öffentlichen Kommunikation mit bullshit vor, offenbar angeregt vom Philosophen Harry G. Frankfurt Steven Bannon, lesen wir gerade eben in der großen Sondernummer der FAZ vom 14.November, hat sich zwar mit Trump überworfen, aber stattdessen ein eigenes ideologisches Projekt aufgelegt. Vor vier Jahren versuchte er, ein uraltes italienisches Kloster als Denkschmiede zu pachten; das wurde damals abgelehnt, aber soeben,  nach vier Jahren Prozess, doch zugelassen. Simon Strauss kommentiert es mit angewiderter Bewunderung: „Mit welcher instrumentellen Intensität sich die amerikanische Rechte für Europa interessiert“ ist sein Bericht überschrieben.

2025-11-15T11:41:54+00:0011 '25|Gespräch|

14. November 2025 – Atem holen, Luft kriegen

möchte man in der kommenden Advents- und Weihnachtszeit, einfach mal Ruhe von aller Politik, allen Medien, allem Streit und Zank. Auch oder gerade weil die vergangenen vier Wochen wieder alles aufgeboten haben, was die regelbasierte Gesellschaft der mitteleuropäischen Länder zerstören könnte, von innen wie von aussen. Das Stichwort  dazu lautet „hybrid“: aber was heisst das eigentlich? Ursprünglich nur „Mischling“, „Kreuzung“ von Arten und Sorten. Also genau das, was heute sozial verworfen wird. Wir wollen nicht, dass Syrer Deutsche heiraten, nicht einmal dass sie einen deutschen Pass erhalten. Je rigoroser dieser Rassismus auftritt, desto hybrider die Kriegsführung. Ist es nicht seltsam?  Russland glänzt damit aussenpolitisch, die USA innenpolitisch. Die Verwirrung der amerikanischen Geister durch „alternative Fakten“ – also gleichsam Bastarde unter den Tatsachen – erzeugt jenen „bullshit“, den der Philosoph Harry G. Frankfurt schon 1986 erkannte: ein Gerede, dem Wahrheit und Lüge egal sind. Hybrides Gerede also. Die Sprache der Werbung und des Konsums, reines Dickicht in einem unreinen Urwald.

2025-11-14T09:35:45+00:0011 '25|Gesprächsrundschau|

13. Oktober 2025 – Der Weltfriedenspakt

von Donald Trump für den Nahen Osten,  für Israel und Gaza und umgebende Länder,  ist endlich Geschichte. Der müde wirkende Löwe aus Washington kam nach Jerusalem, liess sich dort in der Knesseth feiern, und zwar vor, während und nach einer ziemlich konfusen Rede über die großartigen großartigen Israelis, mit Netanjahu an der Spitze. Die RedeHöhepunkte konnten manche vielleicht überraschen. Unversehens verlangte Trump vom gegnerischen Lage die Begnadigung Netanjahus. Unversehens zollte er der Familie  Sheldon Adelson (Las Vegas)  den gebührenden Dank für deren jahrelange und massive Unterstützung seiner IsraelPolitik. Und wir erinnern uns: Mit dem Schwiegersohn Jared Kushner begann 2017 der Umzug der US Botschaft nach Jerusalem,  2020  folgten die erstaunlichen Abraham-Verträge zwischen Israel, den arabischen Emiraten, Bahrain, später auch Marokko und Sudan und natürlich den USA. Und heute nun also die Rückkehr der Geiseln, die jahrelang von der Hamas als Unterpfand gehalten wurden. Es sind zwanzig, weitere gestorbene sollen folgen. Die Palästinenser erhalten im Gegenzug zweitausend Gefängnisinsassen aus Israel. Angeblich verurteilte Attentäter und Mörder.
Trump reiste weiter nach Scharm El-Scheich, um den eigentlichen Vertrag zu ratifizieren, einer ungemein komplexen Nachkriegsordnung. Dass an deren Entstehung der jahrelang britische Unterhändler im Nahen Osten, Tony Blair, maßgeblich beteiligt war, blieb bisher weitgehend im Dunkeln. Dabei kommt er aus der britischen Kolonialnation von 1948.

2025-10-14T06:56:16+00:0010 '25|Gespräch|
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