Vorige Woche druckte die FAZ einen Artikel von Hannes Hintermeier, dem langjährigen Ressortleiter, über einen singulären Text aus der Hitlerzeit. Die „Geschichte eines Deutschen – Erinnerungen 1914 – 1933“ von Sebastian Haffner stammte aus dessen Nachlass. Entstanden war er 1939, vollständig erscheinen konnte er erst 2002. Die ersten Sätze lauteten:
„Die Geschichte, die hier erzählt werden soll, hat zum Gegenstand eine Art Duell. Es ist ein Duell zwischen zwei sehr ungleichen Gegnern: einem überaus mächtigen, starken und rücksichtslosen Staat, und einem kleinen, anonymen, unbekannten Privatmann. Dies Duell spielt sich nicht auf dem Felde ab, das man gemeinhin als das Feld der Politik betrachtet; der Privatmann ist keineswegs ein Politiker, noch weniger ein Verschwörer, ein >Staatsfeind<. Er befindet sich die ganze Zeit über durchaus in der Defensive. Er will nichts weiter, als das bewahren, was er, schlecht und recht, als seine eigene Persönlichkeit, sein eigenes Leben und seine private Ehre betrachtet. Dies alles wird von dem Staat, in dem er lebt, und mit dem er es zu tun hat, ständig angegriffen, mit äußerst brutalen, wenn auch etwas plumpen Mitteln.“
Wer dächte bei diesen Sätzen nicht sofort an das tödliche Duell zwischen Russland und der Ukraine? Haffner dachte vermutlich an etwas anderes. Preussische Gymnasiasten wie er kannten den altgriechischen „Dialog der Melier“ des Thukydides. Der Kampf der kleinen Insel Melos gegen das spartanische Heer erscheint hier in Form eines geschliffenen Dialogs: verfasst im 5. Jahrhundert vor Christus, als eigenes Kapitel aus dem Peloponnesischen Krieg. Auch die kleine Insel möchte gegen den mächtigen Gegner aufstehen, auch sie möchte eigenes Leben, eigenes Recht und eigene Ehre bewahren – aber umsonst. Grausam ist ihre Hinrichtung.
Haffner beschließt seine Vorrede: „Mein privates Duell mit dem Dritten Reich ist kein vereinzelter Vorgang. Solche Duelle, in denen ein Privatmann sein privates Ich und seine private Ehre gegen einen übermächtigen feindlichen Staat zu verteidigen sucht, werden seit sechs Jahren in Deutschland zu Tausenden und Hunderttausenden ausgefochten – jedes in absoluter Isolierung und alle unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit.“
Seit gestern, seit dem 8. Januar 2025, sieht sich die Welt bedroht von einer neuen, nahezu freiwillig gewählten westlichen Weltkriegsmacht, die sich gegen eine östliche in Stellung bringen will. Die Dimensionen eines Peloponnesischen Krieges sind längst übertroffen. Präsident Donald Trump hat seine territorialen Wünsche vorgestellt – Wochen vor seiner regulären Inauguration. Diese Pressekonferenz war eine Kippfigur zwischen Dialog und Duell. Grönland will er kaufen, Panama Kanal und ganz Kanada übernehmen. Notfalls mit Gewalt. Dagegen zu sein ist für uns kleine europäische Bündniswelt heute gottlob kein Einzelwunsch.