Man muss sie schon fieberhaft nennen, die Streitigkeiten um das menschliche Gesicht, angefangen von den Kunstgriffen der Medien über die der pharmazeutischen, kosmetischen Industrie bis hin zu religionsdogmatischen Maßnahmen (Burka). Man kann das aber auch anders deuten: Längst sind wir vielleicht Subjekte und Zeugen einer biologischen Wende, eines Evolutionsgeschehens. Mit Recht hat die Zürcher Linguistin Angelika Linke vor kurzem bemerkt, dass zum fanatischen Streit um das Gendern, auch der um das geschlechtlich unsichere Empfinden einer erstaunlichen Zahl von Menschen gehören; man kann dazu setzen, auch die Demonstrationen für oder gegen die Abtreibung, für oder gegen künstliche Befruchtungen mit Leihmüttern und -vätern. Offenbar ändert sich der Modus unserer Fortpflanzung. Eine „deep biology“ navigiert uns – eine vielleicht vom Klimawandel erzwungene Umgestaltung des Menschenkörpers oder ihre Vorwegnahme?

Schon die Coronamaske hat längst ein Weltgesicht erzeugt, dem wir möglicherweise auf Jahre hinaus nicht mehr entrinnen können. Was bereitet sich vor, hinter dieser Maske, die unsere Mimik stark einschränkt und feinste Nuancen auf die Augenpartie verschiebt? Eine garnicht mehr unterirdische Begleiterscheinung ist doch der shift von der visuellen zur akustischen Kommunikation. Die Weltgesellschaft kommuniziert mehr und mehr über Töne und Laute, Podcasts und clubhouses, allemal über youtube. die gesprochene, gesungene oder gerappte Sprache überwältigt die Schrift mit unabsehlichen Konsequenzen. Denn gerade über die Stimmlichkeit haben wir ja längst auch den Robotern Eintritt in unsere Sozialwelt gestattet: angefangen vom Navy im Auto bis zu Siri oder Alexa auf dem Sofatisch. Zum Genossen Roboter in Coronazeiten passt aber der Genosse Mensch mit einem QR Code. Beim Eintritt wo auch immer zeigen wir heute unser Digitalgesicht – und der Verkäufer betrachtet und entziffert es mit dem Auge des smartphones. Die menschliche „wetware“ hat anorganische, ergo unsterbliche Stellvertreter erhalten. Ein Roboter betrachtet den andern. Mehr dazu demnächst.