Gestern wurde in der Berliner Akademie der Künste der Heinrich-Mann-Preis verliehen, diesmal an Lothar Müller, den langjährigen Redakteur von FAZ und SZ sowie Autor maßstabsetzender kulturhistorischer Bücher, zuletzt über Adrian Proust, den Vater des Dichters Marcel. In seiner Dankrede zitierte Müller eine eindringliche Szene aus Heinrich Manns Roman Henri IV: ein „Gespräch am Meere“ zwischen Montaigne und dem König. Eine zeitlose kommunikative Utopie – wie kann ein normaler, freilich sehr gebildeter Edelmann mit einem Monarchen sprechen und von diesem gehört werden? Es geht um die Schrecken der Bartholomäusnacht von 1573, die Heinrich Mann 1938 als Mahnmal aufruft. Der Monarch lässt sich tatsächlich etwas sagen und sucht nach Frieden. In der Geschichte des Dialogs spielt Montaigne eine herausragende Rolle. Seine Essais wurden schon zu Lebzeiten gleichsam Drehbücher für Selbstgespräche, sie haben von ihrer Tiefe und ihrem colloquialen Reiz nichts verloren.

Hat Putin einen Montaigne neben sich? Nein, der Mann heisst leider Dugin und predigt „eurasische Taten“. Wollte man Putin wirklich eine abartig böse Taktik unterstellen, so wäre es der Versuch, Millionen „westlich verdorbener“ Ukrainer in den Westen, am liebsten nach Deutschland zu treiben – wo ebenso viele Russlanddeutsche leben. Werden sie sich verbrüdern? Oder – da ja mehrheitlich Frauen und Kinder kommen – verschwistern? Die Auslassungen des ukrainischen Botschafters lassen Böses ahnen.