Seit einer Woche zeigt das Berliner Museum für Kommunikation eine ultimative Ausstellung zum Thema „Streit“. Nichts anderes erleben wir gerade täglich auf allen Ebenen: in Familien, Stammtischen und Kneipen, in Schulen, Universitäten und Kulturstätten, in Betrieben und Vereinen, Parlamenten und Parteien und vor allem: in der Weltpolitik, blutig zwischen Nationen und tückisch auf digitalen Plattformen. All diese Streitereien werden mehr oder minder genau in Bild und Schrift und Ton performiert, registriert, kommentiert und (womöglich künstlerisch) bewertet: also in Medienereignisse umgegossen.

Lässt sich in diesem Urwald eine Schneise des Verstehens schlagen? Die Ausstellung beginnt vernünftigerweise mit der Feststellung: Streit ist Teil der menschlichen Kommunikation, begegnet uns täglich und ermöglicht Austausch, Annäherung und gegenseitiges Verstehen. Kompetenz im Streiten will die Ausstellung einüben – und sie wendet sich eindeutig an jüngere und jüngste Besucher:Innen. Rund 150 Streit-Geschichten werden repräsentiert von historischen oder künstlerischen Objekten, Fotografien, analogen und digitalen Dokumenten.

Gottlob reduzieren die Kuratoren diese unüberschaubaren 150 Zugänge zum Thema schnell und energisch. Wie in einem Puppenspiel mit wechselnden Szenen gibt es vier Streitbühnen namens Kunst, Liebe, Macht und Geld, und fünf Besuchertypen, die sich jeweils in den Streitfragen positionieren sollen. Diese fünf Typen werden nun allerdings ausgerechnet von fünf Figuren repräsentiert, die nicht über die Menschensprache verfügen, nämlich von Tieren. Eule, Fuchs, Schildkröte, Affe und Wolf besuchen das Berliner Museum für Kommunikation und zeigen, wie man sich im Streit verhalten kann. Eine Skala zwischen nachdenklich (Eule) und schlau (Fuchs), distanziert (Schildkröte) und gesellig vermittelnd (Affe) oder rechthaberisch (Wolf).

Darüber kann man sinnieren. Tiere spielen natürlich seit der Antike eine große Rolle in der Literatur, in der Fabel, aber auch in Mythologie und bildender Kunst. Oft und gern legt man ihnen menschliche Laster und Tugenden bei; dass sie sprechen wie Menschen verwundert niemanden. Leben wir aber noch im Zeitalter des Aesop? Tiere bilden heute das nahezu letzte Thema der analogen Lebenswelt; täglich sterben ganze Gattungen aus, andere züchten wir milliardenfach, um sie zu verzehren. Die Umstellungen hin zu einem fleischlosen Dasein sind revolutionär, stürzen die Ökonomie in eine hinduistische Schlucht – während oberflächliche Politik sich über den Islam erregt.

Was bedeutet Streit unter Tieren? Wirklich kennen Tiere auch – wie die Ausstellung – nur ein paar Bühnen, wie Streit um Nahrung, um Sex und Fortpflanzung,um Rangordnung und Reviere. Aber auf genau diesen Bühnen wird gnadenlos getötet. Die Literatur scheut sich nicht vor dem Tod: Rotkäppchens Wolf wird getötet und man soll denken: zu Recht. Aber oft wird der Tod auch besiegt, Schneewittchen wird gerettet ebenso wie Ödipus. Nicht so beim Menschen, der tötet wie das reale Tier und weitaus grausamer.

Die Ausstellungsmacher haben selber bemerkt, wie ungeheuer komplex das ganze Thema ist. Sie haben es zusätzlich auf mehreren Diskursetagen angesiedelt, in Form übersichtlicher Kapitel im Netz, als „Expotizer“ mit Begriffserläuterungen, mit Fragekatalogen und Normsetzungen. Alles dient der Bewusstmachung unserer maximal komplexen sprachlichen Interaktion – aber für den Abgrund, an dem sie heute steht, zwischen digitaler und militärischer Vernichtung der sprechenden organischen Subjekte, wird man auf ein „Forum für Streitkultur“ verwiesen. „Argumentieren mit Andersdenkenden“ heisst dessen Programm. Möge es weite Verbreitung finden.