Das Gesicht als physisches wie auch semantisches Schlachtfeld der Evolution zu bezeichnen ist wahrscheinlich noch untertrieben. Wieder zwei Nachrichten will ich notieren. Aus nur einem einzigen Kinder-Fingerchen von der sibirischen Denisova Höhle will man die nötigen DNA Daten zu einer Gesichtsrekonstruktion gewonnen haben.

Wie sieht das Denisova Mädchen aus? mehr

Die SZ vom 20. 9. berichtet eher skeptisch: “ Ein wenig ernst sieht das Mädchen auf dem Bild aus. Die dunkle Stirn ist leicht gerunzelt, der breite Mund etwas geöffnet. Große Zähne hatte das Kind, olivfarbene Haut und zottelige dunkle Haare.Die Augen sind mandelförmig und braun.“ Das Porträt will ein Geschöpf zeigen, dessen Familie vor 50tausend Jahren ausstarb. Das Team um David Gokhman, Stanford, und Liran Carmel, Jerusalem, nutzte ein Relikt, das 2008 gefunden wurde. Eines von sehr wenigen Relikten dieser alten Homo-Art. Wir sehen also eine enorme Spekulation, vielleicht einfach ein Märchen. Warum? Ich erinnere an den spektakulären Fund eines Schädels unter dem Pflaster von Jerusalem, der um 200 n.Chr. datiert und vor einigen Jahren gesichtsrekonstruiert wurde: so ähnlich hätte Jesus aussehen können. Eine Steilvorlage für die Filmindustrie, aber auch für die Forscher*innen. Die betreffenden Institute erhalten mehr Zuwendungen, die Urheber mehr Klicks, die Laufbahn nimmt ihren Lauf.

Der zweite Fall: die dramatische Opposition gegen die Facial Recognition Industry. Nicht nur die bildende Kunst, auch die Musiker wehren sich jetzt dagegen, dass ihr Publikum stellenweise penibel registriert wird. Eine Gruppe namens „Digital rights group Fight for the Future bezeichnet in einem BLOG namens iq-mag.net diese Technologie als ungenau, übergriffig, diskriminierend und gefährlich. Recht so – doch andererseits erfahren wir gerade von Jens Balzer, wie aberwitzig rechtsextrem dieses POP Publikum inzwischen geworden ist: vgl. seine beiden Bücher aus diesem Jahr 2019 „Pop und Populismus“, sowie „Das entfesselte Jahrzehnt. Sound und Geist der 70er“.