Inzwischen ist der Strom der Publikationen zum Thema Gesicht weiter angeschwollen – teils im Gefolge jener „Menschenfassung“ (Walter Seitter), die uns Facebook qua „Gesichtsbuch“ eingebracht hat, teils aber auch im Gefolge der fieberhaften Digitalisierung von großen Porträtarchiven, wie zuletzt im Forschungsverbund der drei großen Archive Weimar, Wolfenbüttel und Marbach, oder auch im Kunstarchiv von Nürnberg. Weithin besprochen wurden ausserdem die Bücher von Hans Belting, „Faces. Eine Geschichte des Gesichts“ , Beck Verlag München 2014, sowie Valentin Groebner, „Ich-Plakate. Das Gesicht als Aufmerksamkeitsmaschine“, Beck Verlag München 2015; leidenschaftlich diskutiert wurden die Mode des Selfie und als Gegenstück immer wieder die Gesichtserkennungstechnik im Zuge des Terrorismus. Gerade eben haben zwei Autoren zwei der wichtigsten visuellen Dispositive erörtert: Gerhard Paul, der Historiker aus Flensburg, mit seinem Buch „Das visuelle Zeitalter. Punkt und Pixel, Bild und Bildpraxen in der Geschichte“ Wallstein Göttingen 2016, sowie Sibylle Krämer mit ihrer jahrelangen Befassung mit der sogenannten „Diagrammatik“ ( in Vorbereitung).
Alle sechs genannten Ansätze spiegeln aber allenfalls die deutsche Diskussion, die ja immer eine deutschschweizerische ist, wenn man den Einfluss von Lavater bedenkt; alle sechs zeigen allenfalls den Trend der letzten Jahre auf, der unübersehbar von technischen Direktiven beherrscht wird. Der lebendige Körper, zu dem ein Gesicht gehört, ist aus diesen Diskursen weitgehend verschwunden – während doch gleichzeitig der lebendige Mensch in Gestalt flüchtender,verletzter, schreiender und sterbender Personen mit Namen, Stimme und Geschichte unser Interesse und unsere Fürsorge mehr denn je verlangt. Wohin also gehört der faziale Diskurs? Man muss darüber nachdenken, mehr denn je.