diese beiden Hauptschlagadern unseres dialogischen Organismus stehen vielleicht in den letzten Zügen. Wiederholt sagte Trump im berüchtigten Oval Office Streit mit Selensky: „Sie haben keine guten Karten, sie haben kein Blatt in der Hand, was wollen Sie überhaupt?“ Diese Rede vom ‚guten Blatt‘ haben die Journalisten aufgenommen. Es bedeutet blanken Zynismus – es suggeriert: diese ganzen Kriegsverhandlungen sind doch nicht mehr als ein Kartenspiel. Das mag so sein – für die Oligarchen und Milliardäre in schwer bewachten Palästen oder auch in den Wettbüros weltweit; ist es aber nicht auf den nationalen Kriegsschauplätzen, wo verwundet und gestorben wird, egal, ob zivil oder armiert. Was wurde aus dem krassen Gegensatz zum Kartenspiel, was wurde aus dem Gebet: dieser Säule des Gesprächs in allen Religionen? Eine der ältesten und tiefsinnigsten Kulturtechniken, die alle Schattierungen von Unterwerfung , Hilflosigkeit, Bitten und Fragen und Vorwürfen umfasst, aber auch Danksagung, Gedenken und Versprechen? Linguisten könnten überlegen, ob ein Gebet ein „Sprechakt“ sei, Dichter und Dichterinnen haben es in Literatur verwandelt, angesiedelt nahe beim Selbstgespräch, wie in der Litanei vom Rosenkranz. Gebete haben ihre eigene Gestik: der Mensch faltet die Hände, der Mensch kniet, der Mensch legt sich hin vor seinen Gott – ohne den es eben diese Kulturtechnik nicht gäbe. Wie desaströs agieren seit Jahren die orthodoxen Priester der Ostkirche im Ukrainekrieg. Inzwischen wurde sie dort verboten – aber was wird aus den Gläubigen? Welche Feiertage werden von wem begangen?