Gespräch

30. November 2025 – Wilde Gerüchte

sind eine eigene orale Gattung, verwandt mit Verschwörungsmythen, aber nicht identisch. Wilde Gerüchte wurden erst ein Mal gezeichnet1943 von A. Paul Weber, einem satirischen Grafiker aus Thüringen, Enkel eines Maschinenfabrikanten, Soldat im 1. und 2. Weltkrieg. Das Bild hiess „Das Gerücht“ und zeigt vor einem Hochhaus eine fliegende Schlange mit Menschenkopf, Glubschaugen und Spitzohren, der Körper von Augen besetzt, der Schwanz zerfasert in einen Schwarm. Auch aus dem Hochhaus quellen Augen. So betrachten die Medien gerade den Friedensprozess um die Ukraine. Drei Kapitel umfasst das Gerücht: den Verlust von ukrainischen Gebieten, den Verlust der Glaubwürdigkeit durch Korruption, den Verlust der Bündniskraft. Die ätzenden Nachrichten über Korruption würden die Aufnahme in die EU verhindern. Die Teilung des Landes würde Russland die Rohstoffausbeutung überlassen und den USA den Gewinn. Das Kraftwerk Saporischja stünde als Ersatz einer atomaren Kriegsmaschine bereit, als Ersatz eines militärischen Aktes, auf den keine NATO zu reagieren hätte. Wer spricht mit wem, wann und wo und wie lange?

2025-11-30T17:56:45+00:0011 '25|Gespräch, Gesprächsrundschau|

15. November 2025 – Das hybride Gespräch

dominiert ja schon längst unsere kommunikative Szene, gespenstischerweise parallel zur hybriden Kriegsführung.  Altmodische Briefe und Karten auf Papier werden zwar noch geschrieben und ausgeliefert, aber nur selten; es sind Luxusartikel im Beziehungssektor. Meist kommen nur noch emails, Whatsapps, Festnetzanrufe, handySMS usw. Das „Teilen“, das als angelsächsisches „share“ unser schönes Wort „Mitteilen“ verdrängte, erlaubt Kommunikation durch blosses Zusenden, wie schon bereits die riesige Emoji-Industrie aus Asien. Hinzu kommen die von Petra Gehring schon früh eindringlich beschriebenen Chöre des öffentlichen Raumes: Demonstrationen ohnmächtiger Untertanen, teils mit skandierten Rufen („Wir sind das Volk“) , teils mit beschriebenen Kartons für Zuschauer ohne audioApp oder karnevalesken Figuren für Liebhaber der Satire. Einen Spitzenplatz besetzten hier denkwürdige chinesische Demonstrationen mit leeren weissen Blättern. Oder mit Regenschirmen.  Durch und an diesen öffentlichen Raumgruppen, den Eiterbeulen des sozialen Verkehrs,  entstehen Kriege wie Wundbrände; sie sind das missing link zum hybriden Bürgerkrieg. Wie weit kann er gehen?

Im Oktober 2025 verbreitete Donald Trump eine KI Satire auf seiner Plattform Truth Social; man sah „König Trump“ in einem Kampfjet mit Krone über die „No Kings“-Demonstrationen fliegen und dabei garnicht symbolisch Fäkalien („bullshit“) auf die Protestierenden abwerfen. „bullshit“ war auch das Stichwort des einstigen Beraters Steven Bannon: er schlug schon früh die Verwüstung der öffentlichen Kommunikation mit bullshit vor, offenbar angeregt vom Philosophen Harry G. Frankfurt Steven Bannon, lesen wir gerade eben in der großen Sondernummer der FAZ vom 14.November, hat sich zwar mit Trump überworfen, aber stattdessen ein eigenes ideologisches Projekt aufgelegt. Vor vier Jahren versuchte er, ein uraltes italienisches Kloster als Denkschmiede zu pachten; das wurde damals abgelehnt, aber soeben,  nach vier Jahren Prozess, doch zugelassen. Simon Strauss kommentiert es mit angewiderter Bewunderung: „Mit welcher instrumentellen Intensität sich die amerikanische Rechte für Europa interessiert“ ist sein Bericht überschrieben.

2025-11-15T11:41:54+00:0011 '25|Gespräch|

13. Oktober 2025 – Der Weltfriedenspakt

von Donald Trump für den Nahen Osten,  für Israel und Gaza und umgebende Länder,  ist endlich Geschichte. Der müde wirkende Löwe aus Washington kam nach Jerusalem, liess sich dort in der Knesseth feiern, und zwar vor, während und nach einer ziemlich konfusen Rede über die großartigen großartigen Israelis, mit Netanjahu an der Spitze. Die RedeHöhepunkte konnten manche vielleicht überraschen. Unversehens verlangte Trump vom gegnerischen Lage die Begnadigung Netanjahus. Unversehens zollte er der Familie  Sheldon Adelson (Las Vegas)  den gebührenden Dank für deren jahrelange und massive Unterstützung seiner IsraelPolitik. Und wir erinnern uns: Mit dem Schwiegersohn Jared Kushner begann 2017 der Umzug der US Botschaft nach Jerusalem,  2020  folgten die erstaunlichen Abraham-Verträge zwischen Israel, den arabischen Emiraten, Bahrain, später auch Marokko und Sudan und natürlich den USA. Und heute nun also die Rückkehr der Geiseln, die jahrelang von der Hamas als Unterpfand gehalten wurden. Es sind zwanzig, weitere gestorbene sollen folgen. Die Palästinenser erhalten im Gegenzug zweitausend Gefängnisinsassen aus Israel. Angeblich verurteilte Attentäter und Mörder.
Trump reiste weiter nach Scharm El-Scheich, um den eigentlichen Vertrag zu ratifizieren, einer ungemein komplexen Nachkriegsordnung. Dass an deren Entstehung der jahrelang britische Unterhändler im Nahen Osten, Tony Blair, maßgeblich beteiligt war, blieb bisher weitgehend im Dunkeln. Dabei kommt er aus der britischen Kolonialnation von 1948.

2025-10-14T06:56:16+00:0010 '25|Gespräch|

11. August 2025 – Die Ansage von etwas

dieses Format des öffentlichen Dialogs hat längst eine eigene Dynamik entwickelt. Ansagen, Ankündigungen sind als solche eben keine Sprechakte sondern das, was der Name besagt. Und doch gewinnen diese Wortmeldungen an Aktqualität, je nachdem wer sie wann und wozu äussert. Nimmt man Bewegungen der Börse für einen Beweis von „Aktivität“ im linguistischen Sinn, haben Mitteilungen von Trump auf dessen Truth Social längst Sprechaktcharakter, und zwar im Tempo der Social Media selbst. Also im Modus der Reiz-Reaktions-Folge, die vorzeiten empirisch an Fröschen erforscht wurde. Dasselbe gilt für die Widerrufung oder Änderung einer Ansage, die ja als Markenzeichen der Trump-Dialogik gelten kann. Oswald Spengler, der große EndzeitPhilosoph der Weimerer Republik, versuchte sich auch als Sprachphilosoph und meinte: die Befehle eines Hundehalters zeigten die Kernkompetenz von Sprechaktperformance: „Sitz“, „Lauf“, „Fass“.

Gerade heute zeichnen sich zwei Szenarien von politischer Ansagerei in voller Komplexität vor Augen der Weltöffentlichkeit. Netanjahu kündigt die Eroberung der Stadt Gaza an; Trump kündigt ein Treffen mit Putin an. Der UN Sicherheitsrat hat eine Resolution für Waffenstillstand durch Hamas und Israel gebilligt, mit großer Mehrheit, bei russischer Enthaltung. Also nicht VETO, dem stärksten Sprechakt der internationalen Politik – neben einer Kriegserklärung.

2025-08-11T12:41:47+00:0008 '25|Gespräch|

15.Juni 2025 – „Der Gott des Gemetzels“

herrscht augenblicklich weltweit. Russland feuert so viele Drohnen und Raketen auf die Ukraine wie nie zuvor. Israel feuert plötzlich nicht nur auf Gaza, sondern auch auf Iran so viele Raketen und Drohnen wie nie zuvor. In Amerika demonstrieren 5 Millionen von  Menschen gegen den Präsidenten unter dem demokratischen Motto „No Kings“. Der Präsident hält zum 250. Geburtstag der amerikanischen Armee sowie zu seinem eigenen 78. Geburtstag eine Waffenparade ab im Wert von 45 Millionen $.

In Minnesota begann der eigentliche Bürgerkrieg:  eine demokratische Abgeordnete wurde ermordet. Das FBI sucht den Mörder,

An der Ostsee beginnt eine große NatoÜbung gegen die russische Schattenflotte. Im kanadischen Kananaskis Village, Alberta, beginnt der G-7 Gipfel unter Mitwirkung von Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Donald Trump. Dieser hatte das gemeinsame Kommuniqué zuletzt scheitern lassen.

2025-06-15T19:12:57+00:0006 '25|Gespräch|

13.Februar 2025 – Das Machtwort, das Diktat

Darauf konnte man zählen, auf das Erscheinen der Diktatur aus der Hand des Mr. Trump. Wie sieht sie aus? Da ist die Rache für erlittene Lügenschmach.  Da ist die Abschaffung von unerwünschten Begriffen, Ideen und Personen. Da gibt es Missachtung und Streichung von Gesetzen, Steuergeschenke, Benachteiligung der Armen, usw. Die meisten Aktionen erinnern an Hitler: mit dem Marsch auf das Kapitol, mit der Dolchstoßlegende, der pompösen Niederschrift unerhörter Pläne, mit Vertreibung von Millionen Menschen. Wird es auch Tötungen geben?

Dieser Diktator will jedenfalls eine Weltordnung herstellen, mit der Faust auf dem Tisch – und hitlerartig – inszeniert er eine Diktatur des Friedens. Man sieht seine Hand Dekrete unterschreiben, in einer zackigen Bewegung des Füllers auf und ab, als gäbe es in diesem Namen kein rundes O, U, M – also keine tönende Verwandtschaft etwa zur friedlichen Ursilbe OM aus der indischen Sphäre. Mechanisch getippt werden Federstriche, sprich: Anweisungen und Vollzugsberichte auf  Truth Social. Das wahre Diktat performt Trump mündlich und telegen: spricht, telefoniert, vereinbart Treffen mit anderen Diktatoren, bestellt Könige zur Audienz ein, konstatiert Kriegsniederlagen , konfrontiert Verbündete mit Pflichten und Kosten, wie jetzt eben in der Münchener Sicherheitskonferenz.

Uns westlichen Wahrnehmenden wirkt das alles noch ins Zwielicht eines Handelskrieges getaucht. Immer denkt man, es wird doch wohl noch anders kommen als gesagt oder geschrieben. Doch wie lange? Ekelerregend wirkt schon der Befehl an den ukrainischen Präsidenten, die USA mit „Seltenen Erden“ für mililitärische Unterstützungen zu bezahlen. Diesen Präsidenten, der mit seinem Volk ein ganzes Land heldenhaft durch jahrelange Belagerung und massenhafte Todesopfer geführt hat: soll nach wenigen Sätzen in einem miesen Bezahlmodus landen? Wer hat wen rechtlos überfallen, gilt kein Völkerrecht mehr, dürfen NATO und EU einfach so beiseitegewischt werden?

Die schlimmste Zwielichtigkeit gilt aber Israel. Trumps Friedensdiktat für Juden und Palästinenser erscheint manchen als genialer Hieb durch den gordischen Knoten im Nahen Osten. Eine glanzvolle Riviera, ein Luxusresort namens Gaza: warum nicht? Wie lasziv muss man sein, um diese Stätte des Grauens zur Luxuswiese  formatieren zu wollen. Könnten Entscheidungen dieser Art einen Geruch ausströmen, er wäre unerträglich. Wie einst überfüllte Viehwaggons , die mit Bürgern meist deutscher Staatsangehörigkeit in Vernichtungslager fuhren. Wir warten ab, was Amerikaner mit unerwünschten Völkerschaften im Sinn haben.

2025-02-13T18:36:24+00:0002 '25|Gespräch|
Nach oben