Dialogkrisen gibt es wahrhaftig auch anderswo. Der deutsche PEN arbeitet sich, wie alle deutschen Kulturvereine, momentan an den socialmedial erzeugten Hass- und Hetzreden, AfD Sympathien und sonstigen (inländischen) Extremismen ab. Als Tochter der englischen Gründung: „Poets, Essayists, Novelists“ vom 5. Oktober 1921 hat diese Organisation inzwischen ehrwürdig weltweite Verbreitung zum Schutz der freien Meinungsäusserung erfahren. Die Aufnahme von Journalisten hat dieses Ziel entschieden politisiert. Und darum geht es auch jetzt wieder, inländisch, und in einer fast bürgerkriegsähnlichen Atmosphäre. Soll man die tausendfachen Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen akzeptieren, auch wenn dort gegen alle Regeln verstoßen wird? Soll man mitwirkende Vereinsmitglieder deshalb strafen oder gar ausschliessen oder genügen die eigenen Satzungen zur Abmahnung? Die Fragen stehen im Raum. Die Antworten hängen in der Luft.

Ein Blick nach Amerika könnte unser Bewußtsein schärfen, in welcher historischen Blase wir uns hier eigentlich befinden. PEN America verbreitet wöchentliche Newsletter zum Thema Free Speech weltweit; ferner einen jährlichen Freedom to Write Index; sowie eine Writers at Risk Database, um die fraglichen Fälle detailliert zu verfolgen. Der amerikanische PEN hat sich mit dieser enormen Kontrolle auf die erbitterte Konfrontation mit jenen politischen Parteien eingestellt, die seit der Trump-Regierung die bekannten, Demokratie erschütternden Falschaussagen legitimieren wollen. Zuletzt vor zwei Tagen mit der Behauptung, der Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 gehöre zum „legitimate political discourse“. Womit also die jetzt verhafteten Teilnehmer des Mobs bei einem Trump-Wahlsieg 2024 mit ihrer Begnadigung rechnen können, weshalb sie und ihr Umfeld ihn schon jetzt, bei den Zwischenwahlen, wählen werden. Falls nicht der Supreme Court hier einschreitet.

Dass es bei uns jemals zu einer solchen Entgleisung der Verfassung kommen könnte, mag man sich nicht vorstellen. Aber was heisst hier „man“? Offensichtlich gibt es einen trumpistischen underground auch hierzulande. Er ist großenteils wissenschaftsfeindlich, wenn nicht rechtsextrem. Trumpistisch: Der Ausdruck hat auf Anhieb nichts mit Nazitum zu tun, wohl aber mit der geschickten Verwendung hitleristischer Motive durch Trump. Der Sturm auf das Kapitol hatte sein Vorbild im Marsch auf die Münchner Feldherrenhalle von 1923 (und natürlich in Mussolinis Marsch auf Rom 1921). Eine mächtige Fälschungs-Legende hatten wir ebenfalls nach 1918 – es war die fixe Idee vom Verrat der eigentlich sieghaften deutschen Armee durch die sozialdemokratische Heimatfront. Man nannte sie „Dolchstoßlegende“. Hitler konnte nicht zuletzt mit ihr gewinnen. An „Ermächtigung“ arbeitet Trump jetzt wie besessen – wie man sieht, hat er sich die Grand Old Party fast vollständig unterworfen. Was aber würde sein Sieg im Jahr 2024 bedeuten? Welche Politiker warten hierzulande und in Brüssel darauf und welche DemonstrantInnen?