Vor rund einem halben Jahr notierte ich hier den markanten Satz des deutschen Verteidigungsministers Pistorius, die deutsche Gesellschaft müsse „kriegstüchtig“ werden. Es ging um die Wehrpflicht und die Ertüchtigung der Armee. Zu viele Waffen hat man offenbar an die Ukraine vergeben, zu wenig im eigenen Land modernisiert. Obgleich angeblich eine Mehrheit der Deutschen Frieden wünscht (wie Frau Wagenknecht), ist seit März 2024 – also seit dem AUdas Ansehen des Verteidigungsministers kontinuierlich gestiegen, bis hin zur Kanzleroption. Davon distanzierte er sich nun vergangenes Wochenende offiziell. Was aber nichts heisst. Denn inzwischen sind Initiativen aller Art unterwegs zur deutschen Kriegstüchtigkeit: Kurse in Schulen trainieren das Überleben, am heutigen Sonntag predigte in der Gemeinde Grunewald zum ersten Mal wohl ein Militärseelsorger „mit seinem Team“; die angesehene Literaturagentin Karin Graf hat zur Vorweihnachtszeit in der Berliner Gedächtniskirche eine literarische Reihe eröffnet. Besinnliches wird man dort erfahren, letzte Dinge werden zur Sprache kommen, denn zum Krieg gehört der Tod, und der Tod gehört in allen Kulturen zur Religion.
Beides: Krieg und Religion haben eigene Dialogiken. Der christliche Dialog entfaltet sich zwischen Gemeinde und Priester, mit Lektüre, Predigt, Beichte, Segen und Liturgie. Ausser dem Kirchenjahr ist nicht alles traditionell: Organisten können moderne Musik spielen, Pfarrer können politisieren, Kirchenleitungen und Gemeinden können aufbegehren. Ausser in orthodoxen Verhältnissen. Die russische Kirche wurde zum Büttel einer Diktatur. Amerikanische Evangelikale dienen einem Trump. Wie wird sich die europäische Kirche „kriegstüchtig“ machen?