Seit Tagen brodelt es in der Kinowelt. Seit 60 Jahren gab es das nicht: Gewerkschaften haben zum Streik aufgerufen, erst die der Drehbuchschreibenden, dann der Schauspielenden. Alle beide konnten Lohnforderungen nicht durchsetzen, die der miserabel bezahlten Majorität dienlich wären: denn was die Stars verdienen, betrifft eine ganz andere Liga. Was sie aber alle eint, die minder-, die mehr- und die alles Verdienenden, ist momentan die Furcht vor dem Automaten ChatbotGPT, den man inzwischen mit einer Atombombe oder Pandemie vergleicht. ( Wie arglos war noch mein Eintrag vom 15. März!) Das digitale Abgreifen der physischen Performance von Schauspielenden, um jederzeit deren Auftritt im Produkt „korrigieren“ zu können oder sie gar überhaupt ganz aussen vor zu lassen, ist eine wahrhaft teuflische Vorstellung. Wer hat dieses Drehbuch einer neuen, brutalen Sklaverei ersonnen: den Verkauf eines lebenden Leibes an die ZweitVerwerter, die dieses Lebendige nicht mehr brauchen? Wie soll man der Gier Herr werden? Wir denken an einen Kaufmann von Shakespeare, so prekär diese Assoziation auch sein mag. Beim Dichter wird das böse Ende abgewendet, werden gute Winde für die Fracht beschworen, der lebensdienliche Importeur bleibt verschont. Aber das Gedankenexperiment aus Venedig ist in der kulturellen Welt. Kolonialismus am lebenden Individuum: vielleicht war das schon immer der Algorithmus der Überlieferung?