Recht hatte er, der israelische Religionsphilosoph Elad Lapidot, als er jetzt in der FAZ ausdrücklich an Martin Buber (1878 – 1965) erinnerte. Nicht nur feiert in diesem Jahr 2023 der legendäre Gründungstext aller Dialogik, das Buch namens „Ich und Du“, seinen hundertsten Geburtstag, vielmehr hat der deutsch-jüdische Philosoph Buber, damals in Jerusalem lebend, auch den immerwährenden Konflikt mit den Palästinensern zeitgenössisch kommentiert. Anlässlich einiger böser Massaker der arabischen Bevölkerung, konstatierte er in einer Rede von 1929 die Einstellung der jüdischen Siedler, wonach „die angemessene Antwort auf die unerbittliche Gewalt [der Palästinenser] nicht Worte des Friedens sondern Handlungen größerer Gewalt seien.“ Buber weigerte sich, „die Araber als eine neue Variante des biblischen Amalek zu betrachten. Er bestand darauf, den offensichtlicheren, unmittelbaren soziopolitischen Kontext der Gewaltausbrüche anzuerkennen.“ Der Zionismus, erläutert Lapidot weiter, „siedelte europäische Juden in Palästina an, und dies war nur durch ein Bündnis mit dem britischen Empire möglich, welches das Land seit dem Ersten Weltkrieg besetzt hielt. Buber wollte anerkannt wissen, dass dieses Projekt unweigerlich Ungerechtigkeit gegenüber der einheimischen arabischen Bevölkerung mit sich bringe.“ Denn anders als die Briten seien die Juden in dieses alte Land ihrer Vorväter nicht gekommen, um zu herrschen, sondern um zu wohnen und zu leben, und dies in sozialer Gerechtigkeit auch gegenüber der lokalen Bevölkerung. Buber fand diese Pflicht nicht erfüllt. „Indem er sich weigerte, seine Feinde zu kriminalisieren, erhob er als Jude, als Zionist, seine Stimme gegen die von den britischen Militärbehörden verhängten Todesurteile gegen arabische Täter und erklärte: >Wir Zionisten, wir Juden, müssen intervenieren. Wir haben kein Recht, aber wir müssen manifestieren, wir müssen vor der Öffentlichkeit der Welt sagen es ist unser Wille, dass die Todesurteile, die unseretwegen, wegen der Untaten an uns ausgesprochen wurden , nicht zu vollstrecken sind.<„
Bubers Werk über „Ich und Du“ bildet zu dieser Auffassung die Blaupause. Es beginnt mit den Worten: „Die Welt ist dem Menschen zwiefältig nach seiner zwiefältigen Haltung. Die Haltung des Menschen ist zwiefältig nach der Zwiefalt der Grundworte, die er sprechen kann. Die Grundworte sind nicht Einzelworte, sondern Wortpaare. Das eine Grundwort ist das Wortpaar Ich -Du. Das andere Grundwort ist das Wortpaar Ich-Es; wobei, ohne Änderung des Grundwortes, für Es auch eins der Worte Er und Sie eintreten kann. Somit ist auch das Ich des Menschen zwiefältig. Denn das Ich des Grundworts Ich-Du ist ein andres als das des Grundworts Ich-Es.“ Beide EgoFiguren widersprechen einander auf Anhieb. Sie haben auch nichts mit Sigmund Freuds Schrift aus demselben Jahr 1923 zu tun: „Das Ich und das Es“, mit der umfassenden Triebtheorie. Buber sieht das Ich, welches Du sagen kann, nicht als begehrendes sondern als sprach- und beseelungsfähig, hingegen das Ich, welches Es sagt, als erfahrungs-, lern- und erfolgsbegierig. Das Du-Ego beseelt auch die nichtmenschlichen Dinge, das Es-Ego entseelt auch die menschlichen. Martin Buber dachte und schrieb als Mystiker, teils christlicher, teils jüdischer Provenienz. Das Angesicht Gottes im „Du“ spielt dabei eine entscheidende Rolle. Welche Rolle mag diese Gläubigkeit heute noch in der israelischen Gemeinde, oder den ultraorthodoxen Parteien in der heutigen Regierung spielen?