Die österreichische Autorin Marlene Streeuwitz, bekannt als politisch streitbar und literarisch maniriert, hat einen Frühlingsroman vorgelegt: „Tage im Mai“ heisst er, ein Doppelporträt von Mutter und Tochter liefert er, unter dem Gattungsnamen eines „Roman dialogé“. Von den fast vierhundert Seiten sind nur zwei Kapitel wirklich als – eklatant scheiternde – Dialoge konzipiert, die übrigen wechseln monologisch zwischen Tochter Veronika und Mutter Konstanze. Zwei Mittelstandsfrauen, beide unehelich geboren, die Mutter Übersetzerin, die Tochter Studentin und Aktivistin und prekär beschäftigt im Posteingang eines Appartmenthauses. Seitenlang räsonnieren beide, versehrt als Coronaopfer, über ihre Liebhaber, die Mutter noch einigermassen zynisch, die Tochter bedrückend unsicher zwischen Männern und eigener schwankender Geschlechtsidentität. Nichts lädt zum Bleiben in dieser Lebensruine ein, ausser der Telenovela, die Mutter und Tochter zusammen anschauen. Hier ist nun alles eindeutig und blutrünstig, die story hat es in sich. So magersüchtig die westlichen Frauen wirken, so rasend vital die Südländerinnen. Zwei Frauen aus der machobeherrschten Tangoszene, die eine mörderisch eifersüchtig auf das Talent der anderen, diese andere bald mörderisch rachsüchtig, weil man ihr die Knochen bricht. Was Elena Ferrante vor Jahren ins literarische Leben brachte: eine geniale Freundinnenschaft aus Neapel, wird nun hier, vor der Folie eines anhaltenden Krieges, zur höllischen Konkurrenz aus Lateinamerika. Alle sechs Figuren zusammen bilden vielleicht den Frauenroman unserer westlichen Zeitgeschichte – „dialogé“ im Sinne von Lyotard?