könnte man zur Devise unserer vertrackten Gegenwart erklären. Technisch möglich durch sogenannte „social“ media, moralisch praktiziert von gewissenlosen Zeitgenossen mit viel – oder zu wenig – Geld, politisch zu nationaler Konstitution ausgebaut, intellektuell zur Spielform des Weltgeistes erklärt. Unbeschreiblich staatstragende Rollen erhalten die Formate der Unterhaltungsindustrie: angefangen bei Hollywood, weiter zur game industry und zur Meta-Physik der Brillenkunde , bis hin, oder besser: bis zurück zur jüdischen Mythologie von Babel und Golem.
Pausenlos versuchen Nerds aus westlicher Sphäre die Lage zu deuten, ohne doch nur den Schatten einer Hoheit dadurch zu gewinnen. Vielleicht sind die Lügengebäude zu nah an literarischen Ufern gebaut? Der Gewinner des Preises für europäische Verständigung, Alhierd Bacharevic aus Belarus, mühte sich um das Genre von Fantasy, Märchen und Utopie (FAZ 30.8.). Nur wenige Tage später sah der Journalist Frank Bruni deutlich – und beileibe nicht als Einziger – den brutalen Angriff auf unser Realitätsbewusstsein als solches durch die gegenwärtige Präsidentschaft und Administration aus den USA (NYT 9.9.):
We’re facing the profoundly dangerous convergence of a leader determined to distract and deceive us and a social and political landscape primed for distraction and deception. Have we dealt with anything quite like this before? The existence of the shorthand IRL to designate that an event or relationship is occurring In Real Life, and not just online, suggests both the unreality of cyberspace — the fog and the fakery of it — and the significant amount of time we spend there.
Alle Zeichen einer organischen Existenz – Körper, Aussehen, Stimme, Bewegung, Mimik etc. – lassen sich heute kraft technischer Genialität simulieren und manipulieren: ob das Wort „Lüge“ hier noch angebracht sei oder überhaupt nach einer Realität verlangt, ist die Frage. In der alten Musik mit „wohltemperierter Stimmung“ gab es den Begriff der „enharmonischen Verwechslung“. Einzelne Töne können wie ein Treppenabsatz in eine andere Tonart leiten. Das wäre wohl das freundlichste Bild unserer gegenwärtigen, fatalen Umformatierung von Demokratie in Autokratie, von Arbeitern in Arbeitslose, von Wissenden zu unheilvoll Unwissenden.