In der heutigen Ausgabe der ZEIT steht ein Interview mit Volodymyr Selinskij. Er schildert die Angriffe des übermächtigen Gegners und die Verteidigungen seines kleinen Volkes. Er weiss, dass er sich ohne die Hilfe der großen internationalen Militärbünde wird unterwerfen müssen, aber noch ist er dazu nicht bereit. Er verlangt weiter Waffen und wirtschaftlich erdrückende Sanktionen. Vielleicht ahnt er, dass die Welt ihm entsetzt und begeistert bei seinem Heldentum zuschaut, auch mitfiebert, aber er will nicht aufgeben. Das Heldentum verlangt freilich das Opfer des Volkes, weniger das des Helden. Niemand hat diesen entsetzlichen Kampf um das Verhältnis von Recht und Gewalt illusionsloser analysiert als Immanuel Kant in seiner Schrift über den „Ewigen Frieden“ von 1795-96.
Zu dieser Szene passt der Bericht in der WELT über die andauernden Telefonate des französischen Präsidenten Macron mit dem Diktator. Martina Meister berichtet, dass es seit dem 14. Dezember 2021 fünfzehn Gespräche gab, zuletzt am vergangenen Sonntag. Dass man nicht schießt, wenn man miteinander spricht, hat Putin falsifiziert: es wurde geschossen. Seit Beginn der Kriegshandlungen gab es vier Telefonate, erfolglose. Da Putin kein Französisch und Macron nicht Russisch spricht, braucht man Übersetzer, das verlängert den Austausch um das Doppelte, erleichtert aber die Protokollierung. Der Eindruck bleibt, wonach Putin die Videoschalte nur zu Propagandazwecken benutzt oder schlicht, um sich über Macron zu amüsieren. Dieser wiederum könnte die Protokolle des Austauschs teils für seinen Wahlkampf nutzen, teils aber auch als Dokumentation für den Internationalen Gerichtshof.